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Calibans Krieg

Calibans Krieg

Titel: Calibans Krieg
Autoren: James S. A. Corey
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ist offen, Bobbie. Wenn Sie es wollen, steht Ihnen die Tür offen.«
    Der Rückflug nach Luna war eine Tortur. Avasarala verbrachte sieben Stunden pro Tag auf der Druckliege und schickte Nachrichten durch das Sonnensystem, die je nach Verzögerung unterschiedlich schnell beantwortet wurden. Auf der Erde nahm Sadavir Errinwright dezent seinen Abschied. Eine kleine private Zeremonie würdigte seine Leistungen für die UN, und danach durfte er viel Zeit mit seiner Familie verbringen, Hühner züchten oder die Jahrzehnte bis zu seinem Tod auf irgendeine andere Weise nutzen. Was er auch tat, über politischen Einfluss würde er jedenfalls nicht mehr verfügen.
    Die Untersuchung hinsichtlich des Io-Stützpunkts war noch im Gange, auf der Erde rollten insgeheim verschiedene Köpfe. Aber nicht auf dem Mars. Wer auch immer in der Marsregierung gegen Errinwright angetreten war, würde ungeschoren davonkommen. Sie hatten die mächtigste biologische Waffe in der Geschichte der Menschheit verloren und gerade dadurch ihre Karrieren gerettet. Die Politik war voller solcher ironischer Wendungen.
    Avasarala stellte ihr neues Büro zusammen, obwohl sie noch nicht auf der Erde war. Wenn sie es endlich betrat, wäre es schon einen Monat lang in Betrieb. Sie fühlte sich, als müsste sie ein Auto vom Rücksitz aus steuern. Sie hasste es.
    Außerdem hatte Mei Meng beschlossen, dass Avasarala witzig war, und beanspruchte jeden Morgen ihre volle Aufmerksamkeit. Die alte Frau hatte keine Zeit, mit einem kleinen Mädchen zu spielen, tat es aber trotzdem. Außerdem brauchte sie Bewegung, damit sie nicht sofort ins Pflegeheim kam, wenn sie wieder unter einem vollen G leben musste. Der Steroidcocktail erzeugte Hitzewallungen und raubte ihr den Schlaf. An den Geburtstagsfeiern ihrer beiden Enkeltöchter nahm sie nur auf dem Bildschirm teil. Bei einer betrug die Verzögerung zwanzig Minuten, bei der anderen vier.
    Als sie den Schwarm der Protomolekül-Monster überholten, die in Richtung Sonne strebten, litt sie in zwei aufeinanderfolgenden Nächten unter Albträumen, die schließlich wieder abflauten. Jedes einzelne Monster wurde von zwei Regierungen überwacht, und Errinwrights kleine Todespäckchen schwebten ruhig und gelassen ihrer eigenen Zerstörung entgegen.
    Sie konnte es nicht erwarten, wieder nach Hause zu kommen.
    Als sie auf Luna andockten, kam sie sich vor wie eine halb verhungerte Frau, der man einen Apfelschnitz an die Lippen hielt, in den sie nicht beißen durfte. Das warme Blau und Weiß der Tagseite des Planeten, die Schwärze und die goldenen Tupfer der Nachtseite. Es war eine wunderschöne Welt. Unvergleichlich im Sonnensystem. Dort unten war ihr Garten. Ihr Büro. Ihr eigenes Bett.
    Nur Arjun war nicht dort.
    Er erwartete sie in seinem besten Anzug mit einem Strauß frisch geschnittener Lilien auf der Landeplattform. In der niedrigen Schwerkraft sah auch er jünger aus, nur die Augen waren ein wenig blutunterlaufen. Sie spürte die Neugierde, mit der Holden und die anderen sie beobachteten, als sie sich Arjun näherte. Wer war dieser Mann, der es ertragen konnte, mit einer so ruppigen und harten Frau wie Chrisjen Avasarala verheiratet zu sein? War er ihr Meister oder ihr Opfer? Wie konnte so etwas gut gehen?
    »Willkommen daheim«, sagte Arjun leise, als er sie in die Arme schloss.
    Er roch wie er selbst. Sie legte den Kopf an seine Schulter und brauchte die Erde nicht mehr ganz so dringend.
    Sie war schon so gut wie zu Hause.

53 Holden
    »Hallo, Mom. Wir sind auf Luna!«
    Die Verzögerung nach Luna betrug hin und zurück weniger als sechs Sekunden, was aber für unbehagliche Pausen zwischen den Antworten völlig ausreichte. Mutter Elise starrte ihn vom Display des Hotelzimmers fünf Herzschläge lang an, dann begann sie zu strahlen. »Jimmy! Kommst du runter?«
    Sie meinte hinunter in die Schwerkraftsenke. Nach Hause. Holden verspürte eine große Sehnsucht, genau das zu tun. Die Farm seiner Eltern in Montana hatte er seit Jahren nicht mehr besucht. Aber dieses Mal war Naomi dabei, und Gürtler reisten nicht auf die Erde. »Nein, Mom, dieses Mal nicht. Aber ich möchte, dass ihr alle heraufkommt und mich hier oben trefft. Ich lade euch ein und bezahle die Fahrt mit dem Shuttle. Die UN-Untergeneralsekretärin Avasarala ist die Gastgeberin, also werdet ihr ziemlich komfortabel untergebracht.«
    Es war schwer, in den Zwangspausen nicht einfach weiterzusprechen. Der Gesprächspartner zeigte nicht unmittelbar die feinen
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