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Byrne & Balzano 4: Septagon

Titel: Byrne & Balzano 4: Septagon
Autoren: Richard Montanari
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O’Riordans Leiche gefunden worden war.
    Als die ersten Ermittlungen aufgenommen worden waren – damals, vor vier Monaten –, hatte die Polizei das Gebäude versiegelt, die Türen ausgetauscht und mit Vorhängeschlössern versehen. Die Fenster wurden mit Sperrholz vernagelt und zusätzlich mit dicken Schrauben gesichert. Das Einfamilien-Eckhaus hatte oft den Besitzer gewechselt. Zuletzt war dort ein kleiner, schmuddeliger Gemischtwarenladen untergebracht gewesen, wo man Babynahrung, Chips, Windeln, Dosenfleisch, Zeitschriften und Lotteriescheine kaufen konnte. Doch der Verkaufsschlager des Ladens, sein Lebenselixier, waren jene drei Dinge gewesen, die ein Cracksüchtiger brauchte: Scheuerschwämme, Wegwerffeuerzeuge und einzeln verpackte Teerosen. Die Rosen wurden in langen schmalen Glasröhrchen verkauft, die zu Crackpfeifen zweckentfremdet wurden, kaum dass die Kunden den Laden verlassen hatten. Eine schnelle und einfache Methode, einen Crackstein zu verbrennen, wobei der Rauch durch die Stahlwolle der Scheuerschwämme gefiltert wurde. Alle Gemischtwarenläden in den Badlands führten diese Teerosen, was aus diesem Teil Nord-Philadelphias vermutlich den romantischsten Ort der Welt machte. Von den Teerosen wurden jeden Tag Hunderte verkauft.
    Der Laden hatte vor gut drei Jahren dichtgemacht, und es hatte sich kein neuer Besitzer gefunden. Die Fassade des Gebäudes war noch immer leuchtend grün angestrichen, und auf dem Schaufenster stand noch die paradoxe Öffnungszeit:
    Verkauf rund um die Uhr täglich von 12.00 – 20.00 Uhr
    Jessica schloss das Vorhängeschloss am Eingang auf und schob das rostige Wellblechtor hoch. Dann trat sie ein, gefolgt von Byrne. Sofort schlug ihnen ein unangenehmer Geruch nach Schimmel und Moder entgegen, vermischt mit den kreidigen Ausdünstungen von feuchtem Putz. Die Temperatur draußen betrug an diesem Tag im späten August fast dreißig Grad. Im Gebäude waren es vierzig Grad oder mehr.
    Abgesehen von einer dicken Staubschicht war das Erdgeschoss bemerkenswert sauber und aufgeräumt. Der größte Teil des Mülls war längst als Beweismaterial gesichert und abtransportiert worden.
    Linker Hand stand der Ladentisch. Dahinter befand sich eine Reihe leerer Regale, über denen Schilder hingen – Kools, Budweiser, Skoal – sowie eine Tafel, auf der ein halbes Dutzend chinesische Gerichte zum Mitnehmen angeboten wurden.
    Die Kellertreppe befand sich im hinteren Teil des Hauses auf der linken Seite. Ehe Jessica und Kevin die Treppe hinunterstiegen, knipsten sie ihre Taschenlampen an. Es gab hier keinen Strom, kein Gas, kein Wasser. Die Versorgungsbetriebe hatten sämtliche Lieferungen eingestellt. Bleiche Sonnenstrahlen, die hier und da durch die Ritzen zwischen den Sperrholzbrettern fielen, mit denen die Fenster vernagelt waren, wurden von der stummen Dunkelheit verschluckt.
    Der Raum, in dem man Caitlin O’Riordan gefunden hatte, lag am Ende des Kellers. Vor vielen Jahren waren die kleinen Fenster auf Höhe der Straße zugemauert worden. Seitdem herrschte hier unten völlige Dunkelheit.
    In einer Ecke des Raumes stand eine Glasvitrine, ein handelsüblicher Getränkekühlschrank, in dem Bier, Limo und Milch gekühlt wurden. Er war über eins achtzig hoch, mit Seitenwänden aus Stahl. In diesem gläsernen Sarg war Caitlins Leichnam entdeckt worden. Sie hatte auf einem Holzstuhl gesessen und mit weit aufgerissenen Augen ins Nichts gestarrt. Zwei Jugendliche hatten hier unten nach Kupferdraht gesucht, den sie verscherbeln konnten, und die Leiche dabei zufällig entdeckt.
    Byrne zog seinen Notizblock und einen Fineliner aus der Tasche. Er klemmte sich die Taschenlampe unter den Arm und fertigte eine detaillierte Skizze des unterirdischen Raumes an, wie es den Ermittlungsbeamten in einem Mordfall vorgeschrieben war. Obwohl auch Fotos und Videoaufnahmen vom Tatort gemacht wurden, stützten sich während der Ermittlungen sämtliche Polizei- und Justizbeamten – bis hin zu den Richtern während der Verhandlungen – auf die Tatortskizze. In der Regel fertigte Byrne diese Skizze an. Jessica gab zu, nicht einmal mit einem Zirkel einen Kreis ziehen zu können.
    »Ich bin oben, falls du mich brauchst«, sagte sie nun.
    Byrne hob den Blick. Die Dunkelheit des Raumes lag wie ein schwarzer Schleier über seinen breiten Schultern. »Ist gut, Jess.«
    Jessica breitete die Akten auf dem Ladentisch aus. Sie war dankbar, dass das helle Sonnenlicht durch die geöffnete Tür fiel, und froh über die
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