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Bye Bye, Crazy Chick

Bye Bye, Crazy Chick

Titel: Bye Bye, Crazy Chick
Autoren: Joe Schreiber
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Abschlussbälle so, aber was war, wenn es diesmal so kommen würde?
    Die Befürchtungen mussten sich auf meinem Gesicht abgezeichnet haben, da Gobi zum allerersten Mal laut lachte. Ihre Augen glitzerten salzig grün hinter den Brillengläsern, und einen Augenblick lang erhellte sich ihr ganzes Gesicht – die ausdruckslose Maske verschwand und brachte ein echtes Mädchen darunter zum Vorschein, weiblich, frei, spontan und lebendig. Mir kam zum ersten Mal der Gedanke, dass mir vielleicht die ganzen Monate über etwas entgangen war.
    »Du fährst richtig gut Auto, Perry.«
    »Na ja, es macht Spaß, so einen Wagen zu fahren.«
    Ich stieg aus, öffnete die Beifahrertür, hielt ihr zum Aussteigen meine Hand hin, und sie sprang aus der Lederpolsterung hinaus in den Abend. Trotz ihres schweren, raschelnden Outfits wirkte sie jetzt, als sie fast anmutig neben mir zum Eingang schritt, irgendwie leichter.
    Man konnte schon die Musik von drinnen hören, das Stimmengewirr der Jugendlichen, mit denen ich die letzten zwölf Jahre lang zur Schule gegangen war und die sich heute Abend wie die Erwachsenen verkleidet hatten, die wir bald alle sein würden, ob wir nun wollten oder nicht.
    Vielleicht wird es ja gar nicht so schlimm,
dachte ich.
    Ich hielt Gobi die Tür auf und wir traten ein.

Fünf
    Sartre schrieb: ›Die Hölle, das sind die anderen.‹ Barbra Streisand hingegen sang: ›Wer andere Menschen braucht, ist der glücklichste Mensch der Welt.‹ Wem würden Sie recht geben?
    Amherst College
     
    Ich weiß nicht, was ich erwartet hatte, aber ich wusste sofort, dass es ein Riesenfehler war.
    Niemand sagte etwas Schlimmes, anfangs jedenfalls noch nicht. Doch ich merkte, wie sich Dutzende Augenpaare auf Gobi hefteten, als sie zur Tür hereinkam. Ich registrierte den Ausdruck auf den Gesichtern der Mädchen und Kerle, als sie Gobis Aufzug sahen – ungläubiges Staunen, Schmunzeln, diese fiese Schadenfreude nach dem Motto ›Jippie, gleich wird’s lustig‹.
    Sie war eindeutig nicht mehr unsichtbar. Mit einem Mal stand sie mitten im Rampenlicht, das perfekte Opfer, als hätte sie sich eine Riesenschießscheibe auf die Stirn gemalt. Ich musste an die Rinderfarmer in Südamerika denken, die die schwächste, abgemagertste Kuh weiter oben in den Fluss treiben und damit den Rest der Herde bei der Durchquerung schützen, während das arme Opferkalb von den Piranhas zerfleischt wird. Ich wusste nicht genau, ob das tatsächlich so gemacht wurde, war ja auch egal – als Vergleich mit der gesellschaftlichen Dynamik einer Highschool passte es jedenfalls perfekt.
    Ich nahm unsere Jacken und hängte sie an die Haken der hinteren Wand. Bunte Lichter und glitzerndes Lametta hatten unsere Turnhalle in eine pulsierende Suppe von Teenagerhormonen verwandelt. Die Leute starrten uns – sie – immer noch an, ganz ungeniert, und kümmerten sich nicht darum, ob es ihr auffiel. Auf der Bühne war gerade irgendeine Band, von der noch nie jemand was gehört hatte, dabei, ein Radiohead-Stück zu massakrieren. Doch selbst der Krach schien das Geflüster um uns herum nicht übertönen zu können.
    »Willst du was von der Bowle?«, fragte ich.
    »Ja gern.«
    Ich durchquerte den Raum zu den Tischen, die auf der anderen Seite aufgebaut waren. Chow stand mit seiner Freundin da und glotzte mich fassungslos an, als hätte er nie gedacht, dass ich diese Sache heute Abend durchziehen würde. Ich beachtete ihn nicht, schnappte mir zwei Plastiksektgläser mit Kinderbowle, brachte sie zu Gobi, die allein am Rand der Tanzfläche stand – eine Freifläche von drei Metern Umkreis um sich herum – und reichte ihr eins davon.
    »Danke.«
    Ich trank das Zeug mit einem Schluck aus, fand eine Stelle, wo ich das Glas abstellen konnte, und versuchte, mir nicht ständig mit den Fingern durch die Haare zu fahren.
    Gobi sah sich die Band an. Man konnte unmöglich feststellen, was ihr durch den Kopf ging. Aber sie schien seltsam präsent zu sein, lebendig und in ihrem Element, mehr als je zuvor, wenn sie mit ihren Büchern unterm Arm durch die Korridore geschlichen war oder bei uns am Abendbrottisch gesessen hatte.
    Sie trank ihre Bowle aus und blickte zu mir hoch. »Wollen wir tanzen?«
    »Also ich, ich kann –«
    Sie fasste mit überraschend festem Griff nach meiner Hand. »Tanz mit mir, Perry.«
    Ich hatte keine Ahnung, wie wir das über die Bühne bringen sollten. Doch dann war es gar nicht so schlimm. Wir verloren uns in einem Meer aus sich drehenden Paaren und hielten
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