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Bußestunde

Bußestunde

Titel: Bußestunde
Autoren: Arne Dahl
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den Ruhestand zu begeben. Von jetzt ab zählt nur noch ›Orpheus Life Line‹. Vielleicht gelingt es mir, von dem, was ich getan habe, noch das eine oder andere zu kompensieren, bevor ich sterbe.«
    »Ich glaube wirklich nicht, dass du sonderlich viel zu kompensieren hast.«
    »Doch«, sagte Michaelis und klappte den Laptop vor sich auf. »Wenn man es richtig biblisch betrachtet, gibt es auf jeden Fall eine Sache zu kompensieren. Obwohl sie noch nicht ganz zu Ende gebracht ist.«
    Sie schwiegen eine Weile. Fahaidawi zeigte auf die Uhr. Michaelis nickte. »Dein Flug geht in einer guten Stunde«, sagte er. »Du hast einen Direktflug nach Hause. Unter deiner wahren Identität.«
    »Es war wirklich pittoresk mit dem Knoblauchmongolen«, sagte Paul Hjelm.
    »Du konntest es also nicht lassen, eine Mail zu schicken?«, fragte Tore Michaelis.
    »Sag nicht, dass du mich überwacht hast«, sagte Hjelm.
    »Nein.« Michaelis lachte. »Aber der Scanner ist eingeschaltet.« Er zeigte auf die erstaunlich moderne Computeranlage auf dem Tisch am Fenster. »Du hast also die Liste eingescannt und sie gemailt?«
    »Auf solche Fragen antworte ich nicht«, entgegnete Hjelm und lächelte.
    »Ist schon okay«, sagte Michaelis. »Ich bin ja sowieso Pensionär.«
    Er tippte etwas auf der Tastatur des Laptops, und nach einem kurzen Moment erschien ein Bild. Das Bild eines Raums. Das Bild eines Raums mit zahlreichen Mischpulten, Kontrolltafeln, Fernbedienungen, Bildschirmen, Computermonitoren, Fernsehschirmen.
    Das Standfoto eines gut gefüllten, aber ziemlich kleinen Raums, der an den Kontrollraum eines Fernsehstudios erinnerte.
    »Ich habe ein wenig zusätzliche Kamerazeit gemietet«, sagte Tore Michaelis.
    Hjelm betrachtete ihn. Und dann betrachtete er das Standfoto auf dem Laptop.
    Einige Minuten verstrichen. Keiner sagte etwas. Und nichts geschah.
    Bis sich zeigte, dass es gar kein Standfoto war.
    Die Tür der Überwachungszentrale wurde geöffnet, und ein Mann kam herein. Er blickte sich überrascht im Raum um, als sei er verblüfft darüber, dass er allein war.
    Als er sich in Richtung der Kamera drehte, sah Paul Hjelm, dass es ein großer, strammer, gestrenger Mann war, der wie siebenundvierzig aussah, aber über sechzig war. Und genau in diesem Moment sah Paul Hjelm, wie Per Naberius die Erkenntnis kam, wie die Todesangst ihn überfiel. Er warf sich in Richtung der Tür.
    Aber es war zu spät. Sein Mund öffnete sich weit, seine Hände griffen ohnmächtig zum Hals, seine Augen sahen aus, als seien sie im Begriff, in den Äther geschossen zu werden, um dort wie Himmelsaugen um die Erde zu kreisen.
    Dann brach er zusammen.
    Hjelm seufzte und wandte sich Tore Michaelis zu, der mit einer Fernbedienung in der Hand dasaß, einer grafitgrauen kleinen Fernbedienung mit einer grünen Taste, und sein Daumen hielt diese grüne Taste fest gedrückt.
    Dann warf er sie in einen Papierkorb.
    »Abhörvorrichtung?« Paul Hjelm sah ihn an.
    »Trau nie einem Spion«, sagte Tore Michaelis.
    »Aber du bist doch pensioniert.«
    Michaelis lachte freudlos und sagte: »Es war ein Versprechen.«
    »Ich weiß«, erwiderte Paul Hjelm. »Ich habe ja deine ›starken Seiten‹ gelesen.«
    »Es gab keine einzige starke Seite in dem verdammten Schriftstück«, sagte Tore Michaelis.
    Hjelm lachte, zeigte auf den Bildschirm mit Per Naberius’ Leiche und fragte: »Was war das denn?«
    »Eine Biobombe von Naberius Enterprises Ltd. – Bakterien, die sein Inneres zerfressen und keine Spuren hinterlassen. Wenn sie ihn finden, glauben sie, dass es ein Herzinfarkt war.«
    »Was die Leute sich nicht alles einfallen lassen«, sagte Paul Hjelm.
    Und sehnte sich nach Hause.

42
    Arto Söderstedt erhielt eine Mail. Er saß in seinem Zimmer und wusste nichts mit der Absenderadresse anzufangen. Sie lautete »[email protected]«.
    Überlegte, ob er sie kennen sollte.
    Casco?
    Er las die Mail. Es gab keinen Text, kein Betreff, nur einen Anhang. Er öffnete ihn. Und sah eine seltsame Liste. Eine Kundenliste.
    Söderstedt versuchte sie zu deuten, und schließlich war er erfolgreich. Auf dieser Liste waren die Käufer von Spürsendern in Form von Mikrochips verzeichnet. Hersteller der Mikrochips war die Firma Bodia Eletrônica S/A, eine Tochtergesellschaft von Naberius Enterprises Ltd.
    Teufel auch, dachte Arto Söderstedt.
    Woher kam diese Mail?
    Er musste nicht lange überlegen, bis er darauf kam.
    »Casco« bedeutete Helm auf Italienisch.
    Arto Söderstedt lehnte sich zurück. Er
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