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Bußestunde

Bußestunde

Titel: Bußestunde
Autoren: Arne Dahl
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gekostet. Wie viel haben Sie eingenommen mit Anamagica?«
    »Achtzigtausend. Aber ich hatte auch einiges in bar, von ein paar Einbrüchen in Australien …«
    »Und die Kleidung, die Schminke?«
    »Ich musste jemand anderes sein, um es tun zu können. Außerdem sollten Sie gern glauben, dass ich ein Mann wäre.«
    »Tiina Spinroth war ja schlau ausgedacht …«
    »Gibt es überhaupt jemanden, der begreift, wie krank dieses ›thinspiration‹ im Internet ist? Gemessen daran komme ich mir richtig gesund vor.«
    »Das Schlimmste in Ihrem Fall ist, dass Sie gesund sind , Ulla. Sie werden auf keinen Fall zur Unterbringung in der Psychiatrie verurteilt.«
    »Ich weiß«, sagte Ulla und lächelte gequält. »Das Gefängnis ist mir auf jeden Fall lieber.«
    Kerstin Holm seufzte und nickte. Sie fühlte sich sehr, sehr müde.
    »Eigentlich ging es nur um eins«, sagte Ulla Johansson abschließend. »Eine Grundkraft im Leben.«
    »Und was ist das?«, fragte Kerstin Holm.
    »Rache«, sagte Ulla Johansson.

43
    Paul Hjelm reiste erster Klasse. Das hatte er noch nie getan. Er saß ganz vorn im Flugzeug und hatte nahezu unbegrenzte Beinfreiheit.
    Auf dem Flughafen in Bagdad hatte er zu seinem Erstaunen einen Stand mit antiquarischen Büchern gefunden. Als er die schönen alten arabischen Werke durchblätterte, stieß er plötzlich auf ein sehr altes Buch in englischer Sprache, das 1613 in London aus dem Lateinischen übersetzt worden war. Es fiel fast auseinander, und er erstand es für einen Spottpreis.
    Es hieß The Admirable History of the Possession and Conversion of a Penitent Woman . Der Autor war der berühmteste Exorzist seiner Zeit, Teufelsaustreiber und darüber hinaus der Großinquisitor der heiligen Inquisition. Im Verlauf der Teufelsaustreibung bei einer Besessenen in Frankreich stößt der Verfasser auf eine große Anzahl Teufel und unternimmt es im Nachhinein, diese akribisch zu klassifizieren.
    Paul Hjelm war nicht wenig erstaunt darüber, dass der Verfasser Michaelis hieß. Sebastian Michaelis.
    Und obendrein einer der schlimmsten Teufel Naberius.
    Doch dann hörte er auf, sich darüber Gedanken zu machen – er war ja kein Metaphysiker –, setzte sich die Kopfhörer auf, stellte sein iPod an und hörte die ganze h-Moll-Messe von Johann Sebastian Bach.
    Besonders der wunderschöne Gesang bei den Textzeilen »Qui tollis peccata mundi, miserere nobis. Qui tollis peccata mundi, suscipe deprecationem nostram« hatte es ihm angetan.
    »Du nimmst hinweg die Sünden der Welt, erbarme dich unser. Du nimmst hinweg die Sünden der Welt, nimm unser Flehen gnädig auf.«
    Dann schlief er ein.
    Niemand holte ihn in Arlanda ab. Das war nicht verwunderlich.
    Für die meisten war er ja noch ein toter Mann.
    Er nahm ein Taxi und wählte mit dem Handy eines toten Mannes auf der Fahrt ein paar Nummern. Niemand meldete sich.
    Als er schon fast in Stockholm war, bat er den Fahrer, die Autobahn zu verlassen. Das Taxi glitt einen Hügel hinauf und fuhr in einen Kreisverkehr, der von der Hauptstraße wegführte, und Paul Hjelm bat den Fahrer anzuhalten.
    Er stieg aus.
    Kann man so etwas wirklich tun?, fragte er sich und schritt durch das Tor.
    *
    Rache, dachte Kerstin Holm, während sie unter dem Laub hindurchwanderte. Die Dämmerung setzte ein, und ein kühler Windhauch drang durch ihre viel zu dünne kleine schwarze Jacke. Sie kam sich vor, als wäre sie weit draußen auf dem Land, jenseits von Gut und Böse.
    War Rache wirklich eine Grundkraft im Leben?
    Es fiel ihr sehr, sehr schwer, das zu glauben. Es starben viel zu viele Menschen um sie her.
    Sie dachte an das Gespräch mit Ulla Johansson alias Tiina Spinroth. Es war so merkwürdig entspannt gewesen. Als sei sie ein ganz anderer Mensch geworden, nachdem ihre seltsame Ausstaffierung hinfällig geworden war.
    Oder sie hatte sich ganz einfach gereinigt. Zu einem hohen Preis.
    Sie würde nie wieder aus dem Gefängnis herauskommen.
    Und Kerstin Holm nicht aus ihrem.
    Sie würde nie dem Gefängnis entrinnen, das sie selbst war.
    Und wieder überwältigte sie die Trauer. Sie musste sich setzen, neben einem Grabstein. Sie schloss die Augen. Alles tat weh. Die Welt tat weh.
    Verdammt, dachte sie. Warum stirbst du mir auch noch weg?
    Am Ende konnte sie doch wieder aufstehen.
    Sie ging zu der Lichtung auf dem Nordfriedhof, auf der Bengt Åkessons Grab lag. Es kam ihr vor, als beträte sie einen Wald.
    An Bengts Grab stand schon jemand. Sonderbar. Bengt Åkesson hatte nicht viele Freunde
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