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Bushido

Bushido

Titel: Bushido
Autoren: Michael Fuchs-Gamboeck , Georg Rackow
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der Bühne stehe und meine Witze erzähle, spüre ich sehr genau, wie das Publikum glaubt, wieder etwas Neues über mich erfahren zu haben, wieder ein Stück näher an mir dran zu sein, wieder etwas mehr zu meiner Familie zu gehören. Irgendwie schaffe ich es, in ihnen dieses »Wir-Gefühl« zu wecken. Was konnte Jürgen Klinsmann, was seine Vorgänger nicht konnten? Genau das!
    Nach meinen Konzerten gehen diese Kinder wieder nach Hause zu ihren Eltern, die vielleicht Ärzte, Lehrer, Rechtsanwälte oder Beamte sind, und summen Sätze wie »Ich sehe mehr Fotzen als ein Gynäkologe« vor sich hin. Das ist doch richtig abgefahren. Der Vater eines solchen Kindes findet es bestimmt nicht so toll, dass seine Tochter meine Musik hört, aber was will er machen? Verbieten kann er es ihr nicht, also macht er das einzig Richtige und schlägt sich auf ihre Seite, in der Hoffnung, durch mich an sie heranzukommen. Nach dem Motto: Wenn ich meiner Tochter erlaube, auf ein Bushido-Konzert zu gehen, findet sie mich vielleicht auch ein bisschen cool. Das habe ich alles schon erlebt. Die Sache ist ja die: Egal, wo ich hingehe, die Kinder sind überall. Durch sie ziehe ich über kurz oder lang auch die Erwachsenen in meinen Bann. Es ist alles nur eine Frage der Zeit.
    Ich wollte immer nur das Beste aus meinem Leben machen, deshalb bereue ich auch im Nachhinein keinen einzigen Tag und keine einzige Tat. Es musste alles genau so passieren, damit ich heute dieses Buch schreiben kann. Was zählt, ist die Gegenwart. Hat mir meine Vergangenheit geschadet? Nein. Auch wenn manche Schmierblätter immer wieder die Erziehungsmethoden meiner Mutter infrage stellen. Ganz ehrlich: Da scheiß ich drauf. Es ist doch so wie im Fußball. Die Eigenheiten eines Trainers können noch so behindert sein, so lange seine Mannschaft gewinnt, hat er alles richtig gemacht. Vor der Fußballweltmeisterschaft in Deutschland wurde Jürgen Klinsmann von allen Seiten wegen seiner ungewöhnlichen Trainingsmethoden ausgelacht. Sechs Monate später war er der Retter des deutschen Fußballs. Mir ging es ähnlich. Früher hat niemand auch nur einen Pfifferling auf mich gesetzt. Nicht einmal meine angeblich besten Freunde haben an mich geglaubt. Heute bin ich Multimillionär und einer der größten Popstars Deutschlands. Und wo sind die anderen geblieben? Ich will damit sagen, das ganze Leben ist eine verfickte Achterbahnfahrt. Damals ging es mir und meiner Familie sehr schlecht, wir hatten kaum genug Geld, um jeden Tag etwas Warmes zu essen. Mittlerweile sieht die Situation zum Glück etwas anders aus, aber wer weiß schon, was in zehn Jahren passiert. Komm damit klar oder du hast verloren! Es kommt immer nur darauf an, dass man an sich und seine eigenen Fähigkeiten glaubt. Du findest mich nicht cool? Kein Problem. Dann verpiss dich aus meinem Leben, aber nerv mich nicht weiter.
    Die Mentalität des typischen deutschen Rap-Fans ist die, stocksteif in der Ecke des Clubs zu chillen und dem, der auf der Bühne steht, die kalte Schulter zu zeigen. Nach dem Motto: Ich bin sowieso cooler als du! Auf meinen Konzerten bräuchte ich theoretisch kein Mikrofon, weil meine Fans ohnehin jeden Text auswendig können und laut mitsingen. Bei Endgegner lege ich einfach mein Mikrofon auf den Boden, setze mich an den Rand der Bühne, trinke einen Schluck Cola und höre zu, wie meine Fans mir mein eigenes Lied vorrappen. Genau das macht den kleinen Unterschied aus. Diese gegenseitige Liebe, die über Jahre gewachsen ist, vergeht nicht so schnell. Was müsste ich denn tun, damit diese Leute, die mich jetzt so krass verehren, mich nicht mehr cool finden? Dieser Fanatismus kann nicht von heute auf morgen verschwinden. Auch wenn sich das natürlich viele wünschen würden.
    Ich war der Erste, der diesen asozialen Gangster-Lifestyle an eine breite Öffentlichkeit herangetragen hat. Und ich bin der Einzige, dem die Kinder zuhören. Was sollen ihnen denn schon eine Sarah Connor, ein Sido, eine LaFee oder ein Xavier Naidoo vom Leben erzählen? Die haben doch selbst nichts zu melden. Was jetzt kommt, klingt sicher ein bisschen blasphemisch, aber es eignet sich gut als Beispiel. Da-mals, bei den Propheten, war es doch ganz genauso. Man konnte sie fast an einer Hand abzählen und trotzdem veränderten sie die Welt. Sie machten einfach das, woran sie glaubten. Natürlich handelten sie im Namen Gottes, sie verbreiteten seine Geschichte, aber aus irgendeinem Grund folgte ihnen das normale Volk – und zwar
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