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Bushido

Bushido

Titel: Bushido
Autoren: Michael Fuchs-Gamboeck , Georg Rackow
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Zeit später nach.
    So fühlte es sich also an, wenn man seinem Vater verzeiht. Ich kann nicht sagen, ob es ein gutes Gefühl war. Es war schlichtweg ein neues Gefühl. Ich suchte im Navigationsgerät den nächstgelegenen Maredo und fuhr los. Keiner sagte auch nur ein einziges Wort. Auch während des Essens sprachen wir kaum miteinander. Ich glaube, Arafat hatte sich dieses Treffen schon ein wenig anders vorgestellt. Er ist ein Typ, und da ist er mir sehr ähnlich, der so gut wie nie über seine eigene Familie redet. Selbst Hamoudi, sein Cousin, war noch nie bei ihm zu Hause. Kaum einer weiß, wie es dort aussieht. Erst auf der Weiterfahrt nach Mannheim fingen wir langsam an, darüber zu sprechen.
    »Bu, ich schwöre dir bei meiner Mutter, es kam mir gerade so vor, als hätte ich meinen eigenen Vater gesehen. Jetzt sind wir wirklich Brüder, weil, auch wenn sich das krass anhört, dein Vater ist wie mein Vater.«
    Das war in der Tat ziemlich krass. So etwas sagt man nicht einfach so, nur um jemanden aufzuheitern. Schon gar nicht ein Mann wie Arafat Abou-Chaker.
    »Wallah«, nickte Ashraf bestätigend und legte mir von hinten beide Hände auf meine Schultern.
    »Bruder, ganz ehrlich, als wir bei deinem Vater saßen, musste ich weinen, weil, ihn so zu sehen…«
    Ashraf sprach den Satz nicht zu Ende. Musste er auch nicht. Es brach uns allen das Herz.
    In Mannheim checkten wir in unserem Hotel ein und gingen direkt weiter auf Mandys Party. Während alle anderen ihren Spaß hatten, war ich nur physisch anwesend. Die ganze Zeit überlegte ich, wie ich das nur meiner armen Mutter beibringen sollte, aber mir fiel nichts ein. Für so etwas gab es eben keinen Plan. Ich weiß gar nicht mehr, wie es dazu kam, aber irgendwann merkte ich, wie ich Senna mein Herz ausschüttete. Ich erzählte ihr vom Krebs meiner Mutter, dass mein Vater bald sterben würde, die komplette Geschichte von A bis Z. Wir chillten ganz normal auf der Party und hielten ein bisschen Small Talk und auf einmal, ohne Vorwarnung, platzte alles aus mir heraus. Das war nicht geplant, aber ich konnte mich nicht dagegen wehren. Die Worte mussten einfach aus mir raus. Das war schon eigenartig. Noch vor wenigen Monaten wollten wir uns die Köpfe einschlagen und jetzt erzählte ich ihr die intimsten Details meines Lebens. Ich kann mir das selbst nicht erklären. Senna war wirklich eine gute Zuhörerin.
    Als wir am Samstagabend in Berlin ankamen, drückte ich mich davor, direkt rüber in die Wohnung meiner Mutter zu gehen. Ich konnte mich nicht überwinden. Kay war in Mannheim geblieben und ich musste allein in meiner Wohnung abhängen. Es war der blanke Horror! Ich fühlte mich wie Der explodierende Mann in Heroes. Ich war wie eine tickende Zeitbombe, die jederzeit hochgehen konnte. Zum Glück war Arafats Frau mit den Kindern verreist, denn so konnte ich ihn zwingen, in der Nacht von Sonntag auf Montag bis morgens mit mir im Café zu bleiben. Ich wollte nicht nach Hause in meine leere Wohnung. Wir haben auch nichts Besonderes gemacht, einfach nur gechillt. Im Fernsehen lief irgendein schlechter Karate-Film aus den 90ern, und ich erzählte Arafat den neuesten Chuck-Norris-Witz.
    »Chuck Norris ist vor zehn Jahren gestorben. Der Tod hatte bis jetzt nur noch nicht den Mut, es ihm zu sagen.«
    »Was ist daran witzig?«, fragte Ari.
    »Keine Ahnung, Alter. Ist halt witzig.«
    Arafat schüttelte den Kopf.
    »Oder kennst du den: Chuck Norris hat schon zweimal bis unendlich gezählt.«
    »Halt die Klappe, du Vollidiot«, lachte Arafat und reichte mir eine neue Wasserpfeife. Es war die siebte dieses Abends. Im Morgengrauen fuhr ich nach Hause und war schließlich so müde, dass mir von ganz allein die Augen zufielen. Zum Glück.
    Am nächsten Tag war es soweit. Das Auto meines Bruders parkte nicht auf dem Innenhof, also standen die Chancen ganz gut, dass meine Mutter allein in ihrer Wohnung wäre. Ich hatte mir keinen Plan zurechtgelegt, keine Worte überlegt, ich ging einfach rüber. Leise schloss ich ihre Tür auf und ging wie immer zuerst in die Küche. Der Tisch war für drei Personen gedeckt und auf dem Herd köchelte etwas vor sich hin. Ihr kleiner Fernseher lief mit voller Lautstärke, obwohl sie selbst im Wohnzimmer war, wo ebenfalls der große Fernseher lief.
    »Mama, ich mach mal das Dings hier in der Küche aus, ok? Ist voll laut hier«, rief ich zu ihr ins andere Zimmer.
    »Nee, lass mal. Die Gabi kommt gleich zum Essen. Dein Bruder holt sie gerade ab.«
    Gabi ist
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