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buen caminoooo!!! (Ein launiger Reisebericht) (German Edition)

buen caminoooo!!! (Ein launiger Reisebericht) (German Edition)

Titel: buen caminoooo!!! (Ein launiger Reisebericht) (German Edition)
Autoren: Simon K. Richardson
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10 kg transportieren muss! Ich frage mich, ob ich mich morgen genauso den Berg raufschleppen werde. Schließlich bin ich noch nie mit 10 kg auf dem Rücken eine längere Strecke gelaufen.
    Etwa einen Kilometer weiter bleibt in einiger Entfernung vor mir ein Mann in den 60ern stehen. Er hat einen Schritt zur Seite gemacht und pinkelt jetzt direkt neben dem Weg. Herrje, muss das sein? Wenn der denkt, er ist unbeobachtet, liegt er falsch. Oder er hat ein Kulturproblem. Als ich ihn später erreiche, kommen wir kurz ins Gespräch.
    Er stammt aus dem leidgeprüften Portugal und fand nicht mehr die Kraft, in die Büsche zu gehen. Beruflich war er leitender Angestellter eines deutschen Haarspray-Herstellers, dessen Produkte das üppige Haupthaar bei jeder Temperatur, Wind und Wetter ordentlich am Platz halten. Jetzt ist er in Rente. Er ist doch ein netter Kerl. Aber gut, dass du keine Frau bist , denke ich mir. In dem Fall hätte er sicherlich die Kraft gefunden, in die Büsche zu gehen.
    Je höher man kommt , umso weniger Bäume verbleiben, der Blick ist toll. Es tauchen die Raststation und Herberge Honto auf; ich beschließe, weiter bis nach Orrison zu laufen. Das erreiche ich nach ca. zweieinhalb Stunden. Ich merke, dass Wandersandalen für diese Bergstrecken ungeeignet sind. Noch einen Kilometer weiter, und ich hätte wohl die ersten Blasen gehabt. Ansonsten geht es mir super. Keine Beschwerden, ich könnte auch gut noch weiterlaufen.
    Soweit ich es erkennen kann, besteht Orrison lediglich aus der Pilgerherberge, mit einigen Zelten hinter derselben und einer großen Terrasse auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Jetzt will ich erst mal ein Baguette und Bier zu mir nehmen, wegen der Energie und der Elektrolyte und so.
    Als ich am Tresen der Herberge stehe, um meine Order abzugeben, kommt ein Pärchen rein. Die haben sich allem Anschein nach gerade auf dem Weg kennengelernt. Er Brite, mit aufdringlicher Fürsorge um SIE bemüht. Sie kann ich von der Herkunft nicht einschätzen, da sie Englisch schlecht und mit einem Akzent spricht, der mir unbekannt ist. Sie ist ungefähr so alt wie der aufdringliche Brite, sieht aber um Längen besser aus. Sie hat ein Zimmer vorbestellt, welches wohl schon vergeben ist. Man sollte halt, trotz Reservierung, frühzeitig seine Herberge erreichen. Alternativ wird ihr jetzt ein Platz in einem Zelt angeboten, was ihr augenscheinlich nicht passt. So langsam macht sie einen recht verzweifelten Eindruck. Sie steht am Tresen, stützt die Ellenbogen auf und hält den Kopf in den Händen.
    Zu allem Überfluss drängt sie der „freundliche“ Brite schon über Gebühr, dass sie doch bei (oder auch mit) ihm in seinem Zimmer schlafen könne, was die Frau anscheinend stärker in die Verzweiflung treibt.
    Sie scheint völlig überfordert zu sein ; augenscheinlich liegen die Ziele für die Nacht bei beiden deutlich auseinander.
    So so ..., also auch diese Art von Nächstenliebe gibt es auf dem Camino!
    Dem weiteren Schauspiel entziehe ich mich, da ich mein Essen und Bier bekomme . Schmeckt mir beides gut, zunächst auf einer Bank sitzend vor der Herberge. Nach einer Weile wird ein toller Platz auf der gegenüberliegenden, windigen Terrasse frei, den ich sofort in Beschlag nehme. Klasse Blick über die Berge und die Täler! Ca. 15 weitere Pilger rasten auf der Terrasse. Links von mir ein deutsches Paar in den 60ern mit dem gleichen Wanderführer wie ich. Dieser wird von ihr intensiv bearbeitet, den Text, den sie ihm laut vorliest, kenne ich schon. Weiter hinten hocken einige Amerikaner oder Kanadier, alle weiblich. Diese lerne ich genau wie das deutsche Paar am nächsten Tag besser kennen.
    Z wei Frauen mit deutlichem Übergewicht passieren die Terrasse. Bei der Ersten ist „Übergewicht“ geschmeichelt, eine Standard-Haushaltswaage dürfte für sie nicht reichen. Sie laufen beide in normalen Straßenklamotten und ohne Gepäck. Ich kann kaum glauben, dass die beiden von SJPDP bis hierher marschiert sind. Hochrot keuchend, schleppen sie sich den Berg hoch. Respekt! Ich wünsche ihnen, dass sie es bis Compostela schaffen und dass sie bis dahin viele Kilos abgenommen haben, sollten das ihre Ziele sein. Beide sehe ich später noch im nächsten Ort Roncesvalles, danach nicht mehr.
    Nach einer Weile kommt auch die Frau mit dem schweren Rucksack von vorhin angehumpelt, die ich, gastfreundlich, wie ich halt bin, kurzerhand zu mir an den Tisch einlade
    „ Hallo, freue mich, dass du es geschafft hast!“,
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