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Brunetti 13 - Beweise, daß es böse ist

Brunetti 13 - Beweise, daß es böse ist

Titel: Brunetti 13 - Beweise, daß es böse ist
Autoren: Donna Leon
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Schweiß abtrockneten, schleppten vier von den fünfen die Ausrüstung zur Calle Tintoretto und weiter bis zu dem Haus, vor dem ein hochgewachsener, schlanker Mann sie erwartete.
    »Dottor Carlotti?« fragte der Uniformierte, der beim Entladen des Bootes nicht mit angefaßt hatte.
    »Ja.«
    »Sie haben uns angerufen?« Beide Männer wußten, daß die Frage überflüssig war.
    »Ja.«
    »Können Sie mir Näheres sagen? Warum waren Sie hier?«
    »Ich wollte zu einer Patientin - ich besuche sie einmal die Woche -, Maria Grazia Battestini, und als ich in die Wohnung ging, fand ich sie am Boden. Tot.« »Sie haben einen Schlüssel?« Die Frage klang ganz unbeteiligt, und doch war der Argwohn dahinter spürbar.
    »Ja, schon seit ein paar Jahren. Wie ich von vielen meiner Patienten Schlüssel habe«, sagte Carlotti und stockte beklommen, als ihm klar wurde, daß der Nachsatz in den Ohren eines Polizisten wohl wie eine Rechtfertigung klang.
    »Würden Sie mir genau schildern, was Sie vorgefunden haben?« fragte der Uniformierte.
    Seine Kollegen hatten unterdessen ihre Gerätschaften im Hausflur deponiert und schickten sich an, die restlichen Sachen vom Boot zu holen.
    »Sie ist tot. Ermordet.«
    »Wieso sind Sie so sicher, daß es Mord war?«
    »Weil ich die Leiche gesehen habe«, versetzte Carlotti und ließ es dabei bewenden.
    »Haben Sie auch eine Ahnung, wer sie ermordet haben könnte, Dottore?«
    »Nein, was den Täter angeht - also über ihn weiß ich natürlich nichts«, sagte der Arzt mit Nachdruck. Aber was empört klingen sollte, wirkte nur angespannt.
    »Ihn?«
    »Was?« fragte Carlotti.
    »Sie sagten ›ihn‹, Dottore. Ich wüßte gern, wieso Sie glauben, daß ein Mann die Tat begangen hat.«
    Carlotti setzte zu einer Entgegnung an, doch die verbindlichen Worte, die er zu formen suchte, entglitten ihm, und statt dessen erklärte er unwirsch: »Schauen Sie sich ihren Kopf an, und dann sagen Sie mir, das hätte eine Frau getan.«
    Er war selbst verwundert über seinen Zorn oder vielmehr die Wucht, mit der er sich entlud. Dabei waren es nicht die Fragen des Polizisten, die ihn wütend machten, sondern der Umstand, daß er sich dadurch verunsichern ließ. Er hatte doch nichts Unrechtes getan, hatte nur zufällig den Leichnam der alten Frau entdeckt, und trotzdem flößte jede Berührung mit der Obrigkeit ihm Furcht ein und die Gewißheit, daß man ihm etwas anhängen würde. Zu was für Memmen wir uns entwickelt haben, schoß es ihm durch den Kopf, aber dann fragte der Polizist: »Wo ist sie?«
    »Im zweiten Stock.«
    »Haben Sie die Tür offengelassen?«
    »Ja.«
    Der Polizist betrat den Flur, wohin die anderen sich vor der Sonne geflüchtet hatten, und wies mit dem Kinn nach oben. An den Arzt gewandt, sagte er: »Sie kommen bitte mit rauf.«
    Carlotti folgte den Beamten, entschlossen, sowenig wie möglich zu sagen und sich vor allem nicht einschüchtern zu lassen. Er war mit dem Tod vertraut, und der Anblick der Leiche, so schrecklich sie auch zugerichtet war, hatte ihn weniger verstört als seine instinktive Scheu vor irgendwelchen Unannehmlichkeiten mit der Polizei.
    Oben angelangt, betraten die Polizisten die Wohnung, ohne anzuklopfen; der Arzt wartete lieber draußen auf dem Treppenabsatz. Zum erstenmal seit fünfzehn Jahren überfiel ihn ein so starkes Verlangen nach einer Zigarette, daß er spürte, wie sein Herzschlag sich beschleunigte.
    Er hörte die Beamten in der Wohnung umhergehen und verstand, was sie einander zuriefen, obwohl er gar nicht versuchte zu lauschen. Die Stimmen wurden leiser, als die Männer ins nächste Zimmer vorrückten, dorthin, wo die Leiche lag. Carlotti trat ans Fenster und lehnte sich achtlos an den schmutzstarrenden Sims. Er fragte sich, wozu er hier eigentlich noch gebraucht wurde, und nur sein Widerwille, die Wohnung noch einmal zu betreten, hielt ihn davon ab, Bescheid zu sagen, man könne ihn, wenn nötig, in seiner Praxis erreichen.
    Nach einer Weile kam der Uniformierte, der mit ihm gesprochen hatte, auf den Flur hinaus. In der plastikbehandschuhten Hand schwenkte er einige Papiere. »Hatte die Signora jemanden bei sich wohnen?« fragte er.
    »Ja.«
    »Wen?«
    »Eine Haushaltshilfe. Ich weiß nicht, wie sie heißt, aber ich glaube, sie stammt aus Rumänien.«
    Der Polizist hielt ihm ein Blatt unter die Nase. Es war ein handschriftlich ausgefülltes Formular, und die Frau mit dem runden Gesicht auf dem Paßfoto in der linken unteren Ecke mochte die Rumänin sein. »Ist das
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