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Brunetti 12 - Verschwiegene Kanäle

Brunetti 12 - Verschwiegene Kanäle

Titel: Brunetti 12 - Verschwiegene Kanäle
Autoren: Donna Leon
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gelungen, ihn ganz zu verdrängen, doch sobald sie es aussprach, wußte er, daß dies das einzige war, worauf es ankam.
    »Du meinst, was Filippi getan hat?«
    »Ein Mann hat das Recht zu erfahren, wer sein Kind getötet hat.«
    »Bei dir hört sich das so einfach an. Wie ein Zitat aus der Bibel.«
    »Ich versichere dir, es stammt nicht aus der Bibel. Aber es ist schlicht die Wahrheit.« Ihr Ton ließ keinen Zweifel gelten.
    »Und was, wenn er sich rächen will?«
    »Wie denn? Indem er Filippi tötet? Oder seinen Vater?«
    Brunetti nickte.
    »Nach dem, was ich gehört habe und was du von ihm erzählst, bezweifle ich, daß er so etwas tun würde.« Bevor er einwenden konnte, daß man das nie vorher wisse, sagte sie: »Aber man weiß nie, oder?«
    Und wieder hatte Brunetti das Gefühl, jeden Zeitbezug verloren zu haben. Ein Blick auf die Uhr belehrte ihn, daß es schon fast zehn war. »Haben die Kinder gegessen?«
    »Ich hab sie in die Pizzeria geschickt, als ich dich reinkommen hörte.«
    Während er ihr von dem Verhör mit den Filippis und ihrem Anwalt erzählte, war Brunetti immer tiefer und tiefer ins Sofa gerutscht, bis sein Kopf auf einem Kissen ruhte.
    »Ich glaube, ich habe Hunger«, sagte er.
    »Ja«, meinte Paola, »ich auch. Bleib du noch ein bißchen liegen, und ich mache unterdessen die Pasta.« Sie stand auf und ging zur Tür. »Was wirst du tun?« fragte sie.
    »Ich muß mit ihm reden«, antwortete Brunetti.
    Das Gespräch fand tags darauf um vier Uhr nachmittags statt. Die Zeit hatte Dottor Moro festgesetzt, der darauf bestand, den Commissario nicht in seiner Wohnung zu empfangen, sondern sich mit ihm in der Questura zu treffen. Der Doktor war auf die Minute pünktlich, und Brunetti erhob sich, als ein uniformierter Beamter ihn hereinführte. Der Commissario trat vor den Schreibtisch und streckte Moro die Hand entgegen. Sie tauschten ein paar steife Höflichkeitsfloskeln, und sobald man Platz genommen hatte, fragte Moro: »Was wollen Sie diesmal, Commissario?«
    Seine Stimme klang ruhig und gefaßt, ohne jede Spur von Neugier oder Interesse. Sein Unglück hatte ihn alledem entrückt.
    Brunetti, der sich mehr aus Gewohnheit denn mit irgendeiner Absicht hinter seinen Schreibtisch zurückgezogen hatte, begann mit der Feststellung: »Es gibt da ein paar Dinge, die Sie wissen sollten, Dottore.« Er hielt inne, darauf gefaßt, daß Moro vielleicht sarkastisch, vielleicht verärgert reagieren würde. Aber der Doktor sagte nichts.
    »Wir haben in bezug auf den Tod Ihres Sohnes gewisse Fakten aufgedeckt, die ...« Schon hatte Brunetti sich hoffnungslos verhaspelt und wußte nicht weiter. Den Blick auf die Wand hinter Moro gerichtet, begann er noch einmal von vorn. »Das heißt, ich habe einige Dinge in Erfahrung gebracht und möchte sie nun auch Ihnen mitteilen.«
    »Warum?« »Weil sie Ihnen bei Ihrer Entscheidung helfen könnten.«
    »Welcher Entscheidung?« fragte Moro müde.
    »Wie Sie weiter vorgehen wollen.«
    Moro rutschte an die Stuhlkante vor und schlug die Beine übereinander. »Ich weiß nicht, wovon Sie reden, Commissario. Ich glaube nicht, daß ich irgendeine Entscheidung treffen kann. Jedenfalls nicht in absehbarer Zeit.«
    »Aber wenn es um Ihren Sohn geht?«
    Brunetti sah, wie etwas in Moros Augen aufflackerte.
    »Für meinen Sohn gibt es nichts mehr zu entscheiden«, sagte er mit unverhohlenem Zorn. Und wie um Brunetti das Unabänderliche einzuhämmern, setzte er hinzu: »Er ist tot.«
    Wieder mußte Brunetti den Blick abwenden, so stark hatte Moros Erregung sich auf ihn übertragen. Aber als er das Wort an ihn richtete, sah er dem Doktor fest in die Augen. »Ich habe neue Erkenntnisse gewonnen, und ich denke, Sie sollten wissen, worum es sich handelt.« Ohne Moro Gelegenheit zu einem Einwand zu geben, fuhr er fort:
    »Paolo Filippi, ein Kadett aus San Martino, behauptet, Ihr Sohn sei Opfer eines Unfalls geworden, und um sich - und Ihnen - Peinlichkeiten zu ersparen, habe er, Filippi, einen Selbstmord vorgetäuscht.«
    Brunetti hatte erwartet, daß Moro fragen würde, ob das nicht genauso peinlich sei. Statt dessen sagte der Doktor:
    »Nichts, was mein Sohn getan hat, wäre mir je peinlich.«
    »Filippi behauptet, Ihr Sohn sei im Verlaufe einer homosexuellen Handlung gestorben.«
    »Ich bin zwar Arzt«, sagte Moro, »aber ich habe keine Ahnung, was das bedeuten soll.« »Daß Ihr Sohn bei dem Versuch, seine sexuelle Erregung durch Strangulationsexperimente zu steigern, ums Leben
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