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Brunetti 09 - Feine Freunde

Brunetti 09 - Feine Freunde

Titel: Brunetti 09 - Feine Freunde
Autoren: Donna Leon
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sagte, und unterschrieb, was der Notar ihm vorlegte.
    Rossi wandte sich wieder dem Deckblatt zu, auf dem der Name des Notars stand. »Hatten Sie sich diesen Notar ausgesucht?« fragte er.
    Brunetti, der sich nicht einmal an den Namen erinnerte, mußte erst einen Blick auf das Deckblatt werfen. »Nein, der Verkäufer hatte ihn uns empfohlen, und wir haben ihn daraufhin genommen. Warum?«
    »Ach, nur so«, antwortete Rossi etwas zu schnell.
    »Warum? Wissen Sie etwas über ihn?«
    »Ich glaube, er praktiziert nicht mehr als Notar«, sagte Rossi leise.
    Brunetti ging angesichts von Rossis Fragerei allmählich die Geduld aus. »Ich möchte jetzt wissen, Signor Rossi«, herrschte er ihn schließlich an, »was das alles heißen soll. Steht es vielleicht in Frage, wem die Wohnung gehört?«
    Rossi setzte wieder sein nervöses Lächeln auf. »Ich fürchte, es ist noch ein wenig komplizierter, Signor Brunetti.«
    Brunetti konnte sich nicht denken, was denn noch komplizierter hätte sein können. »Und das wäre?«
    »Ich fürchte, daß diese Wohnung gar nicht existiert.«

2
    W ie bitte?« entfuhr es Brunetti, bevor er sich bremsen konnte. Er hörte die Empörung in der eigenen Stimme, versuchte aber gar nicht erst, sie zu mäßigen. »Was soll das heißen, ›nicht existiert‹?«
    Rossi drückte sich in seinem Sessel ganz weit nach hinten, wie um aus der unmittelbaren Reichweite von Brunettis Zorn herauszukommen. Er machte ein Gesicht, als wollte ihm nicht einleuchten, wieso jemand so heftig darauf reagierte, daß er die Existenz einer wahrnehmbaren Wirklichkeit in Frage gestellt hatte. Als er aber sah, daß Brunetti nicht handgreiflich werden wollte, wurde er etwas lockerer, rückte die Papiere auf seinem Schoß zurecht und sagte: »Ich meine, sie existiert für uns nicht, Signor Brunetti.«
    »Aha, für Sie - und das heißt?« fragte Brunetti.
    »Das heißt, es gibt bei uns keinerlei Unterlagen. Keine Anträge auf eine Baugenehmigung, keine Pläne, keine Endabnahme der abgeschlossenen Baumaßnahmen. Kurz, es gibt keinerlei Urkunden darüber, daß diese Wohnung je gebaut wurde.« Bevor Brunetti etwas einwenden konnte, ergänzte Rossi, eine Hand auf der Mappe, die ihm Brunetti gegeben hatte: »Und Sie können uns bedauerlicherweise auch keine liefern.«
    Brunetti mußte an eine Geschichte denken, die Paola ihm über einen englischen Schriftsteller erzählt hatte, der, konfrontiert mit einem Philosophen, der behauptete, es gebe keine Wirklichkeit, mit dem Fuß gegen einen Stein getreten und zu dem Philosophen gesagt hatte, er solle solange die nehmen. Er richtete seine Gedanken wieder auf das Näherliegende. Seine Kenntnisse über die Zuständigkeiten anderer städtischer Dienststellen mochten lückenhaft sein, aber seines Wissens registrierte das Katasteramt nur die Eigentumsverhältnisse. »Ist es eigentlich normal, daß Ihre Dienststelle derartige Nachforschungen anstellt?«
    »Nein, jedenfalls war es das früher nicht«, antwortete Rossi mit einem schüchternen Lächeln, als wüßte er es zu schätzen, daß Brunetti immerhin gut genug informiert war, um diese Frage zu stellen. »Aber aufgrund eines neuen Erlasses wurde meine Dienststelle beauftragt, eine vollständige computerisierte Aufstellung aller Wohnhäuser in der Stadt anzufertigen, die von der Kulturgüterkommission zu historischen Denkmälern erklärt wurden. Dieses Haus gehört dazu. Wir sind dabei, alle Unterlagen und Akten aus den verschiedenen Ämtern in der Stadt zusammenzutragen. So wird dann eine zentrale Behörde, nämlich unsere, Kopien von sämtlichen Dokumenten zu jeder der fraglichen Wohnungen haben. Am Ende wird dieses zentralisierte System ungeheuer viel Zeit sparen.«
    Als Brunetti das zufriedene Lächeln sah, mit dem Rossi das erzählte, mußte er an den Artikel im Gazzettino vor zwei Wochen denken, in dem es hieß, daß die Stadt wegen Geldmangels das Ausbaggern der Kanäle eingestellt habe. »Wie viele Wohnungen gibt es denn?« fragte er.
    »Oh, das wissen wir selbst nicht. Unter anderem wird diese Erhebung ja deswegen gemacht.«
    »Wann wurde damit angefangen?«
    »Vor elf Monaten«, antwortete Rossi so prompt, daß Brunetti sicher war, auf Nachfrage auch noch das genaue Datum mit Tag und Stunde genannt zu bekommen.
    »Und wie viele Akten sind inzwischen komplett?«
    »Also, da viele von uns aus freien Stücken auch samstags arbeiten, sind es jetzt schon über hundert«, antwortete Rossi nicht ohne Stolz.
    »Und wie viele Leute arbeiten an dem
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