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Brunetti 05 - Acqua alta

Brunetti 05 - Acqua alta

Titel: Brunetti 05 - Acqua alta
Autoren: Donna Leon
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Brunetti nahm den Füllfederhalter, den ihm Signorina Elettra hinhielt, und unterschrieb.
    »Vielen Dank, Signorina. Gibt es sonst noch etwas?«
    »Ja, Dottore. Signora Petrelli hat angerufen und Ihre Verabredung bestätigt.«
    Weitere Frühlingszeichen. Weitere Anmut.
    »Danke, Signorina«, sagte er, nahm die Akten an sich und gab ihr den Brief zurück. Sie lächelte, und weg war sie.
    Die erste Akte kam von Carrara in Rom und enthielt eine vollständige Aufstellung der Stücke aus La Capras Sammlung, die von den Kunstfahndern identifiziert worden waren. Das Verzeichnis der Herkunftsorte las sich wie ein Touristen- oder Polizisten-Führer durch die geplünderten Fundstätten des Altertums: Herculaneum, Volterra, Paestum, Korinth. Auch der Ferne und Nahe Osten waren gut vertreten: Xi'an, Angkor Wat, das Museum in Kuwait. Einige Stücke schienen legal erworben, aber sie waren in der Minderzahl. Mehr als einige waren Fälschungen. Gut gemacht, aber eben doch gefälscht. In La Capras Haus sichergestellte Unterlagen bewiesen, daß viele der illegalen Stücke von Murino bezogen worden waren, dessen Geschäft nun geschlossen war, damit die Kunstfahnder eine komplette Inventarliste der dort sowie in seinem Lager in Mestre vorhandenen Stücke erstellen konnten. Murino selbst bestritt jedes Wissen über illegal erworbene Stücke und behauptete, die müsse sein früherer Geschäftspartner, Dottor Semenzato, angeschleppt haben. Wäre er nicht genau in dem Moment verhaftet worden, als er gerade vier Kisten mit Alabaster-Aschenbechern, made in Hongkong, in Empfang nahm, bei denen sich auch die vier Statuen befanden, hätte man ihm vielleicht geglaubt. So aber saß er in Untersuchungshaft, und sein Anwalt hatte die Aufgabe, die Rechnungen und Zollquittungen beizubringen, die Semenzato belasteten.
    La Capra befand sich in Palermo, wohin er die Leiche seines Sohnes zur Beerdigung hatte überführen lassen, und schien jedes Interesse an seiner Sammlung verloren zu haben. Er hatte bisher alle Aufforderungen ignoriert, weitere Nachweise entweder für den Ankauf oder den rechtmäßigen Besitz vorzulegen. Daraufhin hatte die Polizei alle Stücke konfisziert, von denen bekannt war oder vermutet wurde, daß sie gestohlen waren, und versuchte weiter die Herkunft der wenigen festzustellen, die immer noch nicht identifiziert waren. Wie Brunetti befriedigt feststellte, hatte Carrara dafür gesorgt, daß die aus der ChinaAusstellung im Dogenpalast gestohlenen Stücke nicht im Verzeichnis der in La Capras Haus vorgefundenen Gegenstände erschienen. Nur drei Personen - Brunetti, Flavia und Brett - wußten, wo sie waren.
    Die zweite Mappe enthielt die immer dicker werdende Akte gegen La Capra, seinen verstorbenen Sohn und die mit ihm festgenommenen Männer. Die beiden, die Dottoressa Lynch zusammengeschlagen hatten, waren an dem Abend im Palazzo gewesen und zusammen mit La Capra und einem weiteren verhaftet worden. Die beiden ersteren gaben den tätlichen Angriff zu, behaupteten jedoch, sie seien nur in die Wohnung gegangen, um sie auszurauben. Über den Mord an Dottor Semenzato wollten sie absolut nichts wissen.
    La Capra behauptete seinerseits, nichts davon zu wissen, daß die beiden Männer, die er als seinen Fahrer und seinen Leibwächter identifizierte, die Wohnung der Dottoressa Lynch auszurauben versucht hätten, einer Frau, vor deren Kompetenz er die allerhöchste Achtung habe. Zunächst versicherte er auch, Dottor Semenzato weder zu kennen noch je geschäftlich mit ihm zu tun gehabt zu haben. Aber dann trafen immer mehr Informationen aus den Städten ein, wo er und Semenzato sich getroffen hatten, und die zu Protokoll gegebenen Aussagen verschiedener Antiquitätenhändler zeigten die Verbindungen der beiden Männer in einer Vielzahl von Transaktionen auf, so daß La Capras Geschichte sich verflüchtigte wie acqua alta unter dem Wechsel der Gezeiten oder günstigem Wind. Und mit diesem speziellen Gezeitenwechsel setzte auch die Erinnerung ein, daß er in der Vergangenheit möglicherweise doch das eine oder andere Stück von Dottor Semenzato gekauft haben könnte.
    Man hatte ihn aufgefordert, nach Venedig zurückzukehren, wenn er nicht von der Polizei hergebracht werden wolle, aber er hatte sich in Behandlung begeben und war von seinem Arzt in eine Privatklinik eingewiesen worden - »Nervenzusammenbruch infolge persönlichen Kummers«. Und dort war er geblieben, physisch und - in einem Land, wo nur die Bande zwischen Eltern und Kindern noch
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