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Brunetti 05 - Acqua alta

Brunetti 05 - Acqua alta

Titel: Brunetti 05 - Acqua alta
Autoren: Donna Leon
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endlich vorgeschoben hatte.
    Hinter der Tür krachte ein Schuß und füllte das Verlies mit seinem Echo. Schrotkügelchen prasselten gegen die Holztür, aber die volle Ladung ging daneben und traf die Steinmauer. Noch ein Schuß, aber La Capra feuerte blind, und die Schrotladung spritzte wirkungslos ins Wasser.
    Brunetti eilte über den Hof zurück zu Flavia und Brett, die inzwischen wieder auf den Beinen waren und sich langsam der immer noch offenen Tür näherten. Er ging an Bretts andere Seite, faßte sie um die Taille und drängte sie vorwärts. Als sie schon fast an der Tür waren, hörten sie in der calle hinter der Mauer lautes Geplatsche und ebenso lautes Rufen. Brunetti blickte auf und sah Vianello hereingerannt kommen, gefolgt von zwei Uniformierten mit gezogenen Waffen.
    »Drei sind oben im Haus«, sagte Brunetti zu ihnen. »Seid vorsichtig. Wahrscheinlich sind sie bewaffnet. Da drüben in dem Lagerraum ist noch einer. Er hat eine Schrotflinte.«
    »Waren das die Schüsse, die wir gehört haben?« fragte Vianello.
    Brunetti nickte, dann sah er an ihnen vorbei. »Wo sind die anderen?«
    »Im Anmarsch«, sagte Vianello. »Ich habe von der Bar am campo telefoniert. Sie haben einen Funkruf losgelassen. Cinquegrani und Marcolini waren in der Nähe und sind gleich gekommen«, erklärte er mit einer Kopfbewegung zu den beiden Uniformierten, die sich unter dem Balkon postiert hatten, um vor eventuellem Beschuß aus den oberen Etagen des Palazzo sicher zu sein.
    »Sollen wir sie uns holen?« fragte Vianello mit einem Blick zu der Tür am oberen Ende der Außentreppe.
    »Nein«, antwortete Brunetti, der darin keinen Sinn sah. »Wir warten, bis die anderen hier sind.« Und wie durch seine Worte herbeigerufen, heulte in der Ferne eine Zweitonsirene auf und wurde im Näherkommen immer lauter. Dahinter hörte man eine zweite vom Hospedale Civile her den Canal Grande heraufkommen.
    »Flavia«, sagte er, jetzt an sie gewandt: »Geh mit Vianello. Er bringt euch zum Ambulanzboot.« Dann zu dem Sergente: »Bringen Sie die beiden da runter, und kommen Sie gleich zurück. Schicken Sie die anderen hierher.« Vianello kam durchs Wasser gestapft, bückte sich und hob Brett mit der Mühelosigkeit des Starken auf. Gefolgt von Flavia, trug er sie vom Hof und durch die schmale calle zum Ufer, wo zwei blaue Lichter durch den endlosen Regen blinkten.
    Eine vorübergehende Stille trat ein. Während Brunetti sich einen Moment der Entspannung gönnte, begann sein Körper den Preis für die Kälte zu zahlen, seine Zähne klapperten, und ein Schauer nach dem anderen schüttelte ihn. Er zwang sich, durchs Wasser zu den beiden Uniformierten unter dem Balkon zu gehen, wo er wenigstens vor dem Regen geschützt war.
    Hinter der Tür zu dem Verlies ertönte ein tierischer Verzweiflungsschrei, dann rief La Capra immer und immer wieder den Namen seines Sohnes. Nach einer Weile drang statt des Namens nur noch ein durchdringendes Schmerzensheulen durch die Tür und erfüllte den Hof.
    Brunetti verzog das Gesicht bei diesen Tönen, und stumm trieb er Vianello zur Eile an. Er rief sich Semenzatos zertrümmerten Schädel ins Gedächtnis, Bretts mühsames, gequältes Sprechen, aber doch ging ihm der Schmerz dieses Mannes durch und durch.
    »He, ihr da unten«, rief ein Mann von der Tür oben an der Treppe, »wir kommen runter. Wir wollen keinen Arger.« Als Brunetti den Kopf wandte, sah er drei Männer mit erhobenen Händen oben stehen.
    Soeben stürmte Vianello auf den Hof, gefolgt von vier Mann mit kugelsicheren Westen und Maschinenpistolen. Auch die Männer auf der Treppe sahen sie und blieben stehen, um noch einmal zu rufen: »Wir wollen keinen Ärger.« Die vier Bewaffneten verteilten sich auf dem Hof, durch Instinkt und Ausbildung angehalten, hinter den Marmorsäulen Deckung zu suchen.
    Brunetti ging ein paar Schritte auf die Tür zu dem Lagerraum zu, erstarrte jedoch, als er zwei Maschinenpistolen auf sich gerichtet sah. »Vianello«, schrie er, da er nun endlich ein Ventil für seine Wut hatte, »sagen Sie ihnen, wer ich bin.« Er machte sich klar, daß er für sie nur ein triefnasser Mann mit einer Pistole in der Hand war.
    »Das ist Commissario Brunetti«, rief Vianello über den Hof; die Maschinenpistolen schwenkten von ihm ab und wieder auf die Männer, die starr auf der Treppe standen.
    Brunetti ging weiter auf die Tür zu, hinter der das Wehklagen unvermindert anhielt. Er schob den Riegel zurück und zog die Tür auf. Sie klemmte, und er
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