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Brunetti 05 - Acqua alta

Brunetti 05 - Acqua alta

Titel: Brunetti 05 - Acqua alta
Autoren: Donna Leon
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Mensch wagen, in das Haus von Carmelo La Capra einzubrechen.
    Sicher tat sein Vater das alles aus demselben Grund, aus dem er diese dämlichen Töpfe überhaupt sammelte: um sich in der Welt Ansehen zu verschaffen und als Herr zu gelten. Salvatore fand das absurd. Er und sein Vater waren Herren von Geburt; das mußten sie sich durch die Meinung dieser dummen polentoni nicht erst bestätigen lassen.
    Noch einmal warf er einen Blick über den unter Wasser stehenden Innenhof und wußte, daß er jetzt Gummistiefel anziehen und da hinüberwaten mußte. Aber der Gedanke daran, was er tun durfte, wenn er drüben war, gab ihm wieder Auftrieb; es hatte Spaß gemacht, mit l'americana herumzuspielen, aber nun war es Zeit, das Spiel zu beenden.
    Er bückte sich und zog ein Paar hohe Gummistiefel über. Sie reichten ihm bis an die Knie, wo sie so weit geschnitten waren, daß der obere Teil sich nach außen bog wie Blütenblätter um den Fruchtknoten einer Anemone. Er zog die Tür hinter sich zu und stapfte mit schwerem Schritt die Außentreppe hinunter, wobei er den peitschenden Regen verfluchte. Unten durchpflügte er mühsam das Wasser auf dem Hof bis zur Holztür auf der anderen Seite. Selbst in der kurzen Zeit, seit er l'americana dort eingesperrt hatte, war das Wasser weiter gestiegen und stand nun schon über dem untersten Brett der Tür. Vielleicht war sie ja inzwischen ertrunken. Selbst wenn sie es geschafft hatte, sich in eine der tiefen Mauernischen hinaufzuziehen, wäre es ein leichtes, sie zu ertränken. Er bedauerte nur, daß er nicht mehr die Zeit hatte, sie zu nehmen. Er hatte noch nie eine Lesbe vergewaltigt und konnte sich vorstellen, daß es ihm Spaß machen würde. Nun gut, vielleicht konnte man ja mit einem weiteren Anruf ihre Freundin, die Sängerin, herkommen lassen, dann hätte er immer noch die Chance. Sein Vater wäre wahrscheinlich dagegen, aber er mußte ja nichts davon wissen, oder? Die Vorsicht seines Vaters hatte ihn schon um das Vergnügen des ersten Besuchs bei l'americana gebracht. Statt seiner waren Gabriele und Sandro hingeschickt worden, und die hatten alles vermasselt. Mit diesem Gebräu aus Gewalt, Wut und Wollust im Kopf überquerte er den Innenhof.
    Wohl vorbereitet auf die Dunkelheit ringsum, nahm er jetzt eine Taschenlampe aus seiner Jackentasche und ließ ihren Strahl über den Riegel wandern, der die niedrige Tür zuhielt. Er schob ihn mit einem Ruck zurück und riß, schwer gegen den Druck des Wassers kämpfend, die Tür auf. Vor ihm öffnete sich ein hohes Gewölbe. Auf dem öligen Wasser trieben Tische und Stühle, die man während der Restaurierung hier untergestellt und dann vergessen hatte. Früher hatte dieses Gewölbe als innerer Bootsanleger gedient. Es lag einen halben Meter tiefer als der Innenhof und war gegen den Canal Grande durch eine weitere schwere Holztür auf der anderen Seite abgeschottet, die mit einer Kette gesichert war. Es würde, wenn er mit l'americana fertig war, keine Minute dauern, diese Tür zu öffnen und Brett ins tiefere Wasser des Kanals hinauszustoßen.
    Zu seiner Linken hörte er Wasser klatschen und richtete den Strahl der Taschenlampe dorthin. Die Augen, die ihm entgegenfunkelten, waren zu klein und standen zu eng beieinander, um einem Menschen zu gehören; mit einem raschen Zucken des langen Schwanzes wandte das Tier sich vom Licht ab, schwamm
    gemächlich hinter eine schwimmende Kiste.
    Alle Wollust war dahin. Er ließ den Lichtstrahl langsam nach rechts wandern und leuchtete jede der Mauernischen ab, die inzwischen eine Handbreit unter Wasser standen. Endlich sah er sie in einer dieser Nischen kauern, die Beine hochgezogen, den Kopf müde auf den Knien. Der Lichtkegel weilte auf ihr, aber sie rührte sich nicht und sah nicht her.
    Es blieb ihm also nichts anderes übrig, als durch dieses Wasser zu waten, um an sie heranzukommen und es hinter sich zu bringen. Er gab sich einen Ruck und tat einen Schritt ins tiefere Wasser, streckte langsam den Fuß aus, bis er sicher war, daß er fest auf der ersten schleimigen Stufe stand, dann auf der zweiten. Er fluchte laut, als er fühlte, wie ihm das Wasser in den Stiefel lief. Am liebsten hätte er sich das lästige Ding vom Fuß gerissen, dann wäre er leichter vorwärts gekommen, aber er dachte an die kleinen roten Augen, die er drüben auf dem Wasser gesehen hatte, und ließ es. Zögernd, weil er wußte, was jetzt kam, setzte er den anderen Fuß ins Wasser und fühlte es auch schon in den Stiefel laufen.
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