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Brunetti 05 - Acqua alta

Brunetti 05 - Acqua alta

Titel: Brunetti 05 - Acqua alta
Autoren: Donna Leon
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Bericht erst heute morgen gelesen.« Er sah zu der schlafenden Frau hinüber; legte die Frage in seinen Blick.
    »Besser«, sagte Flavia. Sie ging wieder zu Brett und winkte ihn näher an das Bett heran. Brunetti kam durchs Zimmer und blieb hinter Flavias Stuhl stehen. Er stellte seine Aktentasche auf den Boden, stützte beide Hände auf die Stuhllehne und sah auf das Gesicht der zusammengeschlagenen Frau hinunter. Schließlich fragte er: »Was ist passiert?« Er hatte sowohl den Bericht als auch Flavias Aussage gelesen, aber er wollte es von ihr selbst hören.
    Flavia verkniff sich die Erwiderung, das herauszufinden sei seine Sache; statt dessen erzählte sie mit gedämpfter Stimme: »Am Sonntag kamen zwei Männer zu Bretts Wohnung. Sie sagten, sie kämen vom Museum und brächten Unterlagen. Brett hat ihnen aufgemacht. Nachdem sie schon ziemlich lange mit ihnen in der Diele war, bin ich nachsehen gegangen, warum sie nicht zurückkam, und da lag sie auf dem Boden.« Brunetti nickte, während sie sprach; das stand alles in der Aussage, die sie gegenüber zwei verschiedenen Polizisten gemacht hatte. »Als ich aus der Küche kam, hatte ich ein Messer in der Hand. Ich war gerade beim Gemüseschneiden und hatte schlicht vergessen, es wegzulegen. Als ich sah, was die machten, habe ich nicht erst nachgedacht. Einen habe ich verletzt. Eine ziemlich böse Schnittwunde am Arm. Daraufhin sind sie aus der Wohnung gerannt.«
    »Raubüberfall?« fragte er.
    Sie zuckte die Achseln. »Möglich. Aber warum dann das?« Sie deutete mit einer Handbewegung auf Brett.
    Er nickte wieder und murmelte: »Richtig, richtig.« Dann trat er vom Bett zurück, stellte sich neben sie und fragte: »Ist viel Wertvolles in der Wohnung?«
    »Ja, ich glaube schon. Teppiche, Bilder, Keramiken.«
    »Das Motiv könnte also Raub gewesen sein«, meinte er, und für Flavia klang es, als wollte er sich selbst damit überzeugen.
    »Die Männer haben gesagt, der Direktor des Museums hätte sie geschickt. Wie sind die auf so etwas gekommen?« fragte sie. Raub als Motiv erschien ihr nicht plausibel, und das um so weniger, je öfter sie Bretts Gesicht ansah. Wenn dieser Polizist das nicht begriff, würde er gar nichts begreifen.
    »Wie schwer sind ihre Verletzungen?« erkundigte er sich, ohne auf ihre Frage zu antworten. »Ich hatte noch keine Zeit, mit den Ärzten zu sprechen.«
    »Gebrochene Rippen und ein angebrochener Kieferknochen, aber keine Anzeichen für eine Gehirnerschütterung.«
    »Haben Sie schon mit ihr gesprochen?«
    »Ja.«
    Ihre brüske Antwort erinnerte ihn daran, daß bei ihrem letzten Zusammentreffen keine besondere Sympathie zwischen ihnen geherrscht hatte. »Es tut mir leid, daß so etwas passieren konnte.« Er sagte das wie ein Mensch, nicht wie ein Amtsvertreter.
    Flavia nickte flüchtig, antwortete aber nichts.
    »Wird sie es überstehen?«
    So wie die Frage gestellt war, trug sie ihrer intimen Beziehung zu Brett Rechnung, schloß ihre Fähigkeit mit ein, das Seelenleben ihrer Freundin zu beurteilen und zu erkennen, wieviel Schaden eine solche Mißhandlung ihr zufügen konnte. Flavia war verwirrt, weil sie ihm am liebsten für diese Frage gedankt hätte, mit der er ihre Rolle in Bretts Leben anerkannte. »Ja, sie wird es überstehen.« Dann, sachlicher: »Und die Polizei? Haben Sie schon etwas herausgefunden?«
    »Nein, leider nicht«, antwortete Brunetti. »Die Beschreibungen, die Sie von den beiden Männern gegeben haben, passen auf niemanden, den wir hier kennen. Wir haben in den Krankenhäusern von Venedig und Mestre nachgefragt, aber es ist niemand mit einer Messerwunde eingeliefert worden. Der Umschlag wird noch auf Fingerabdrücke untersucht.« Er sagte ihr nicht, daß dies vielleicht durch eingesickertes Blut erschwert würde, auch nicht, daß der Umschlag leer gewesen war.
    Hinter ihm bewegte sich Brett unter den Decken, seufzte auf und war wieder still.
    »Signora Petrelli«, begann er und hielt inne, suchte nach den richtigen Worten. »Ich würde gern eine Weile bei ihr sitzen bleiben, wenn es Sie nicht stört.«
    Flavia ertappte sich bei der Frage, warum sie sich so geschmeichelt fühlte, nur weil er so selbstverständlich akzeptierte, was sie und Brett füreinander waren, dann überraschte sie sich selbst mit der Erkenntnis, daß sie gar nicht genau wußte, was das eigentlich war. Von diesen Gedanken bestimmt, zog sie einen zweiten Stuhl heran und rückte ihn neben ihren.
    »Grazie«, sagte er. Dann setzte er sich hin, lehnte
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