Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Brunetti 03 - Venezianische Scharade

Brunetti 03 - Venezianische Scharade

Titel: Brunetti 03 - Venezianische Scharade
Autoren: Donna Leon
Vom Netzwerk:
Mittelpunkt der ganzen Aufregung zwar wichtig vorkam, dem aber vom Anblick dieses Fußes noch ganz flau war.
    »Haben Sie uns gerufen?« fragte der erste Polizist. Sein rundes Gesicht glänzte vor Schweiß, und er starrte den Meister durch dunkle Brillengläser an.
    »Ja«, antwortete der. »Da hinten auf der Wiese liegt eine Tote.«
    »Haben Sie sie entdeckt?«
    »Nein«, sagte der Meister, »ich nicht.« Damit trat er zur Seite und bedeutete Cola vorzutreten. »Er hier.«
    Auf ein Nicken des ersten Polizisten hin zog der Kollege aus dem zweiten Streifenwagen ein blaues Notizbuch aus der Jackentasche, schlug es auf, schraubte die Kappe von seinem Stift und hielt ihn über dem Blatt zum Schreiben bereit.
    »Name?« fragte der erste, den Blick hinter den dunklen Gläsern jetzt auf den Fleischer gerichtet.
    »Cola, Bettino.«
    »Anschrift?«
    »Wozu soll das gut sein?« unterbrach der Meister. »Da drüben liegt eine Tote.«
    Der erste Uniformierte wandte sich von Cola ab, senkte den Kopf und fixierte über den Rand seiner Sonnenbrille den Meister. »Die läuft uns nicht weg.« Dann wiederholte er, zu Cola gewandt: »Anschrift?«
    »Castello 3453.«
    »Wie lange arbeiten Sie schon hier?« fragte er mit einer Kopfbewegung zu dem Gebäude hinter Cola.
    »Fünfzehn Jahre.«
    »Wann haben Sie heute angefangen?«
    »Um halb acht. Wie immer.«
    »Was hatten Sie auf der Wiese zu suchen?« Die Art, wie der eine die Fragen stellte und der andere die Antworten notierte, gab Cola das Gefühl, sie verdächtigten ihn.
    »Ich bin rausgegangen, um eine Zigarette zu rauchen.«
    »Mitten im Hochsommer stellen Sie sich in die Sonne, um eine Zigarette zu rauchen?« fragte der erste Polizist, und es klang, als sei das Irrsinn. Oder eine Lüge.
    »Ich hatte Pause«, antwortete Cola, der langsam ärgerlich wurde. »Da gehe ich immer raus. Wegen dem Gestank.« Das Wort holte die Polizisten in die Wirklichkeit zurück. Sie sahen zu dem Gebäude hinüber, wobei der mit dem Notizbuch nicht verhindern konnte, daß seine Nasenflügel angeekelt bebten bei dem, was er roch.
    »Wo liegt sie?«
    »Gleich hinter dem Zaun. Unter ein paar Büschen, darum habe ich sie zuerst nicht gesehen.«
    »Warum sind Sie dorthin gegangen?«
    »Ich habe einen Schuh gesehen.«
    »Wie bitte?«
    »Ich sah einen Schuh, auf der Wiese, und dann den zweiten. Ich dachte, vielleicht sind sie noch gut, da bin ich durch den Zaun gekrochen. Ich dachte, meine Frau könnte sie vielleicht gebrauchen.« Das war eine Lüge; er hatte gedacht, er könnte sie verkaufen, aber das wollte er der Polizei nicht erzählen. Es war eine kleine Lüge und ganz harmlos, aber es war die erste von vielen Lügen, die der Polizei im Zusammenhang mit dem Schuh und der Person, die ihn trug, aufgetischt wurden.
    »Und dann?« bohrte der erste Polizist nach, als Cola nichts weiter sagte.
    »Dann bin ich hierher zurückgelaufen.«
    »Nein, davor«, sagte der erste Polizist mit einem unmutigen Kopfschütteln. »Als Sie den Schuh gesehen haben. Als Sie die Frau gesehen haben. Was haben Sie da gemacht?«
    Cola sprach rasch, in der Hoffnung, es dann bald hinter sich zu haben. »Ich habe den einen Schuh aufgehoben und sah den zweiten dort liegen. Er war unter dem Busch. Ich habe daran gezogen. Ich dachte, er hängt irgendwie fest. Da habe ich noch mal gezogen, und er ging ab.« Er schluckte einmal, zweimal. »Er war an ihrem Fuß. Deshalb ist er erst nicht abgegangen.«
    »Sind Sie lange dortgeblieben?«
    Diesmal war es Cola, der hinter der Frage Irrsinn vermutete. »Nein, nein. Nein, ich bin zurückgelaufen und habe es Banditelli erzählt. Der hat dann bei Ihnen angerufen.«
    Der Meister nickte bestätigend.
    »Sind Sie da drüben herumgelaufen?« fragte der erste Polizist.
    »Herumgelaufen?«
    »Oder noch stehengeblieben? Haben Sie geraucht? Haben Sie in der Nähe etwas weggeworfen?«
    Cola schüttelte energisch den Kopf.
    Der zweite Uniformierte blätterte in seinem Notizbuch, der erste sagte: »Ich habe Sie etwas gefragt.«
    »Nein. Nichts. Ich habe die Frau gesehen und den Schuh fallen lassen, und dann bin ich ins Schlachthaus gelaufen.«
    »Haben Sie sie angefaßt?« wollte der erste wissen.
    Cola sah ihn mit großen, erstaunten Augen an. »Sie ist doch tot. Natürlich habe ich sie nicht angefaßt.«
    »Sie haben ihren Fuß angefaßt«, sagte der zweite Polizist mit einem Blick auf seine Notizen.
    »Ich habe ihren Fuß nicht angefaßt«, entgegnete Cola, obwohl er nicht mehr sicher war. »Ich habe den
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher