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Brunetti 01 - Venezianisches Finale

Brunetti 01 - Venezianisches Finale

Titel: Brunetti 01 - Venezianisches Finale
Autoren: Donna Leon
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drei Privatgespräche geführt und den Wirtschaftsteil der Zeitung gelesen hatte, schließlich dazu durchrang, den Bericht zu lesen, fand er ihn ebenso interessant wie erhellend.
    Die Ergebnisse meiner Ermittlungen lassen mich zu dem Schluss kommen, dass Maestro Helmut Wellauer sich infolge seiner zunehmenden Schwerhörigkeit das Leben genommen hat.
    1. In den letzten Monaten hatte sich sein Gehör in einem Maße
    verschlechtert, das er über weniger als 40% des normalen Hörvermögens verfügte. (Siehe beiliegende Gesprächsprotokolle mit den Doctores Steinbrunner und Treponti sowie ebenfalls beiliegende medizinische Berichte.)
    2. Dieser Gehörverlust führte dazu, dass er zunehmend seinen Beruf als Dirigent nicht mehr ausüben konnte. (Siehe anliegende Gesprächsprotokolle mit Professore Rezzonico und Signor Traverso.)
    3. Der Maestro befand sich in einer depressiven Stimmungslage.
    (Siehe anliegende Gesprächsprotokolle mit Signora Wellauer und Signorina Breddes.)
    4. Er hatte Zugang zu dem benutzten Gift. (Siehe anliegende Gesprächsprotokolle mit Signora Wellauer und Dr. Steinbrunner.)
    5. Es war bekannt, dass er die Vorstellung vom Freitod vertrat,
    falls er ein Stadium erreichen sollte, in dem er als Musiker nicht mehr einsatzfähig wäre. (Siehe aniiegendes Protokoll des Telefongesprächs mit Dr. Steinbrunner. Privatkorrespondenz aus Deutschland wird nachgereicht)
    Aufgrund des überwältigenden Gewichtes dieser Informationen sowie der Tatsache, dass Verdächtige, die ein Motiv oder eine Gelegenheit zu einem Verbrechen gehabt haben könnten, eindeutig auszuschließen sind, kann ich nur den Schluss ziehen, dass der Maestro den Suizid als Alternative zur Taubheit vorgezogen hat.
    Hochachtungsvoll
    Guido Brunetti
    Commissario della Polizia
    »Ich hatte natürlich von Anfang an diesen Verdacht«, sagte Patta zu Brunetti, nachdem letzterer der Aufforderung seines Vorgesetzten gefolgt war, in dessen Büro den Fall zu besprechen. »Aber ich wollte nicht gleich zu Anfang etwas sagen und so Ihre Ermittlungen beeinflussen.«
    »Das war sehr großzügig von Ihnen, Signore«, sagte Brunetti. »Und sehr klug.« Er studierte die Fassade von San Lorenzo, von der er einen Teil hinter der Schulter seines Vorgesetzten sehen konnte.
    »Es war einfach undenkbar, dass jemand, der Musik liebte, so etwas hätte tun können.« Ganz offensichtlich zählte Patta sich dazu. »Seine Frau sagt hier...«, begann er, indem er den Blick auf den Bericht heftete. Diesmal studierte Brunetti die kleine diamantbesetzte Krawattennadel in Form einer Rose, die Patta in seiner roten Krawatte trug. »... dass er sichtlich verstört war.« Dieses Zitat überzeugte Brunetti, dass Patta den Bericht wirklich gelesen hatte, ein Ereignis von unübertroffener Seltenheit. »Und so empörend das Benehmen dieser beiden Frauen auch ist«, fuhr Patta mit einer kleinen Geste des Ekels über etwas fort, was gar nicht im Bericht stand, »ist es doch unwahrscheinlich, dass eine von ihnen das psychologische Profil eines Mörders hat.« Was immer das heißen sollte.
    »Und die Witwe - unmöglich - auch wenn sie Ausländerin ist.« Dann gab Patta, obwohl Brunetti nicht danach gefragt hatte, die Erklärung zu dieser Bemerkung. »Keine Frau, die Mutter ist, könnte etwas so Kaltblütiges tun. Sie haben einen Instinkt, der solche Dinge verhindert.« Er lächelte über sein brillantes Einfühlungsvermögen und Brunetti, entzückt, das zu hören, lächelte auch.
    »Ich esse heute mit dem Bürgermeister zu Mittag«, sagte Patta mit einer einstudierten Nebensächlichkeit, die diese Tatsache zu den Alltäglichkeiten verwies, »und ich werde ihm die Ergebnisse unserer Ermittlungen darlegen.« Als Brunetti diesen Plural hörte, zweifelte er nicht daran, dass die Ermittlungen bis zum Mittagessen wieder im Singular erscheinen würden, allerdings nicht in der dritten Person.
    »Ist das alles?«, fragte er höflich.
    Patta blickte von dem Bericht auf, den er offenbar auswendig lernen wollte. »Ja, ja. Das ist alles.«
    »Und der procuratore? Wollen Sie ihn auch informieren?«, fragte Brunetti in der Hoffnung, dass Patta auch darauf bestehen und bei seiner Empfehlung an den leitenden Staatsanwalt das Gewicht seines Amtes zugunsten einer Nichtverfolgung in die Waagschale werfen würde.
    »Ja, dafür sorge ich auch.« Brunetti beobachtete, wie Patta überlegte, ob er den Staatsanwalt zum Essen mit dem Bürgermeister einladen sollte, den Gedanken aber wieder verwarf. »Ich
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