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Brüder der Drachen

Brüder der Drachen

Titel: Brüder der Drachen
Autoren: Bernhard Weissbecker
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tätschelte der einsame Reisende die blau-grau gemusterte Flanke seines Reittieres, das ruhig mit seinen großen Augen zwinkerte. Es zeigte keine Unruhe, keine Angst. Die friedfertigen Craiths waren bekannt dafür, dass sie die Nähe der Drachen fürchteten, und mit einem geheimnisvollen Sinn waren sie dazu in der Lage, ihr Kommen zu erspüren. Der Drache, der dort seines Weges zog, war aber offenbar so weit entfernt, dass nicht einmal die Echse sich bedroht fühlte.
    Trotzdem zögerte Deryn noch immer, seinen Weg fortzusetzen. Der stetige Westwind trug kleine Schneeflocken heran, die sich in dem kurz geschnittenen Bart des Mannes verfingen. Eine Strähne seines schulterlangen, blonden Haares flatterte in sein Gesicht, und er wischte sie mit einer unbewussten Bewegung beiseite. Sein rostroter Mantel öffnete sich in dem Windstoß, sodass die leichte Kettenrüstung und der Schwertgurt sichtbar wurden. Den Ringpanzer hatte Deryn aus der Rüstkammer des Fürsten von Lornmund entliehen, als sich abzeichnete, dass sein Weg ihn weiter nach Westen führen würde. Das Geflecht aus Tausenden von Eisenringen ruhte unbequem auf seinen Schultern, und auch sein Schwert betrachtete er eher als ein Statussymbol. Seine gelbe Mütze mit der schwarzen Feder des Narvi-Vogels und der gelbe Kragen wiesen ihn als Boten des Königs aus, und in dieser Stellung war es selten erforderlich, eine Waffe zu gebrauchen.
    Der Auftrag, der ihn nun an diesen Ort geführt hatte, war zunächst als einfacher Botengang erschienen, der keinen königlichen Gesandten erforderte: Nur eine Schriftrolle galt es zu überbringen, die für Loridan von der Gilde der Drachentöter bestimmt war. Deryn wusste allerdings, warum man ausgerechnet ihn mit dieser Mission betraut hatte, denn er und Loridan waren Freunde. Seit er vor vier Tagen in Car-Tiatha aufgebrochen war, hatte Deryn erkennen müssen, dass seine Aufgabe unerwartet schwierig war. Schon mehrfach hatte er sich am Ziel seiner Suche geglaubt, doch jedes Mal hatten seine Hoffnungen ihn getrogen.
    Loridan war gerade erst von den Wunden genesen, die er im Kampf gegen einen Drachen erlitten hatte, und wenig später hatte er seine Gilde und die Stadt überraschend verlassen. Jeder war davon ausgegangen, dass der junge Ritter in sein Heimatdorf Ber-Eliath zurückkehren würde, und tatsächlich war er dort auch gewesen, wenn auch nur für zwei Nächte. Seine Schwester hatte berichtet, dass Loridan weiter nach Norden reisen wollte, aber ein Ziel hatte er nicht genannt. Seitdem war Deryn den Hinweisen gefolgt, die er von Dorfbewohnern, Reisenden und Schankwirten erhalten hatte. Die Beschreibung, die er den Leuten gab, passte nicht auf viele Reisende, und etliche Menschen erinnerten sich an den großen Mann, der wie alle Drachenritter sein Haar kurz geschnitten trug. So war Deryn der Spur des Drachentöters gefolgt, die zunächst nach Norden bis zur Stadt Lornmund geführt hatte. Dann war Loridan nach Westen abgebogen, auf die Straße, die in das Land der Drachen führte.
    Seit Tagen schon war in Deryn der Verdacht gewachsen, dass der Ritter tatsächlich auf dem Weg ins Drachenreich war. Nun stand der königliche Gesandte selbst an der Grenze dieses sagenumwobenen Landes, und vielleicht hatte er sie sogar schon überschritten. Als vor einhundertfünfzig Jahren die Drachen über das Land gekommen waren, hatte es kurze aber heftige Kämpfe gegeben. Mehrere Städte der Menschen waren verwüstet worden, bevor die schrecklichen Kreaturen ihre Angriffe ausgesetzt hatten. Seitdem hielten die Drachen sich strikt an einen Grenzverlauf, über den es nie eine Verhandlung gegeben hatte, der nie auf einer Karte verzeichnet worden war. Die alten Handelswege, die ins Drachenland führten, wurden kaum noch genutzt. Wer es dennoch wagte, tat es auf eigene Gefahr, und kein Wegstein gab Auskunft, wo das Reich der Drachen tatsächlich begann.
    Der königliche Bote seufzte tief, denn er wusste, dass er nun eine Entscheidung treffen musste. Dem Drachenritter zu folgen, grenzte an Irrsinn, auch wenn es nicht Deryns erste Reise in dieses Land war. Bereits vor einem halben Jahr hatte er diese Gefahr auf sich genommen, als er im Auftrag des Königs mit den Fürsten von Car-Carioth verhandelt hatte, doch damals waren zwei Ritter der Drachengilde bei ihm gewesen. Jetzt war er auf sich allein gestellt, und ein Fehler konnte tödlich sein.
    Deryn schüttelte still seinen Kopf. Es wäre leicht, es wäre vernünftig, nun umzukehren. Nur eine
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