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Brüder der Drachen

Brüder der Drachen

Titel: Brüder der Drachen
Autoren: Bernhard Weissbecker
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hatte sich auch lange Zeit in das Archiv der Drachentöter vertieft. Alle Orte, an denen jemals Kämpfe gegen Drachen stattgefunden hatten, waren auf seiner Karte eingezeichnet – so präzise dies eben möglich war.
    Und genau dort lag das Problem, das dem Zauberer so viel Kopfzerbrechen bereitete. Es gab keine Karte des Reiches, die auch nur annähernd so zuverlässig war, wie es für seine Studien erforderlich gewesen wäre. Schon die Lage der bedeutendsten Städte war für Tan-Thalion alles andere als glaubwürdig. Lag Car-Osidia wirklich deutlich weiter im Norden als Car-Tiatha, so wie es die Karte zeigte? Und vielleicht lag die Stadt, in der König Calidor nun herrschte, auch ein gutes Stück weiter im Westen, als es die Karte den Betrachter glauben machen wollte. Zumindest hätte dies besser in die Überlegungen des alten Zauberers gepasst, aber alle Diskussionen mit dem Meister der Gilde der Kartenzeichner waren vergeblich gewesen.
    Wie schon so oft zuvor griff der Zauberer zu dem großen hölzernen Zirkel, um einen neuen Kreis in die Karte einzuzeichnen. Zufrieden betrachtete er die Bogenlinie, die er in einem weiten Schwung von den zerstörten Küstenstädten bis zur Hauptstadt des Reiches gezogen hatte. Die Grenzen des Drachenlandes waren nicht willkürlich angeordnet – sie folgten einem festen Prinzip. Tan-Thalion war sich sicher, dass er das Rätsel des Drachenlandes gelöst hatte. Um Gewissheit zu erlangen, wäre es allerdings nötig, seine Theorien zu überprüfen – mitten im Reich der Drachen. Keinem anderen konnte er diese Aufgabe anvertrauen; er selbst musste gehen, trotz aller Gefahren. Einzig die Zustimmung des Königs fehlte ihm noch, und diese galt es jetzt zu gewinnen.
    Nun allerdings war die Karte so angefüllt mit Einträgen und Notizen, mit Kreisen und Hilfslinien, dass er sie unmöglich in diesem Zustand dem König zeigen konnte. Er würde den Meister der Kartenzeichner um eine neue Karte bitten müssen. Und auf dieser sollte Car-Osidia weiter südlich liegen – und weiter im Westen.
    *
    Deryn kannte Quildons Raststätte aus den Erzählungen der Drachenritter, doch er hätte nicht gedacht, dass er sie jemals selbst betreten würde. Nun lag sie vor ihm – eine kahle Felsformation, die sich über das locker bewaldete Hügelland erhob. Niemand hatte ihm sagen können, wie Quildon auf die Idee gekommen war, im Land der Drachen ein Gasthaus zu betreiben. Es lag in einer tiefen Felsenhöhle verborgen, und seine einzigen Besucher waren die Ritter der Drachengilde und die Gesetzlosen, die sich im Drachenland vor den Häschern des Königs versteckten.
    Der königliche Gesandte atmete auf, als er sein Reittier durch den Felsspalt führte, der ihn in Quildons Höhle bringen würde. Während er voranschritt, rückten die Wände immer näher aneinander, und es erschien unmöglich, dass einer der riesigen Drachen hier eindringen sollte. Die Höhle, in der Quildon seit vielen Jahren sein Gasthaus betrieb, war der letzte sichere Ort auf der Straße, die von Lornmund aus durchs Land der Drachen führte. Und Sicherheit war alles, wonach Deryn sich nun sehnte. Drei Tagereisen lagen hinter ihm, seit er Lornmund verlassen hatte. Seit zwei Tagen befand er sich im Land der Drachen – zwei Tage, während denen sein Blick ständig über den Himmel gewandert war, zwei Nächte, in denen die Angst vor den Drachen ihn auch in seine Träume verfolgt hatte.
    Zum wiederholten Mal fragte sich Deryn, warum er dieses Wagnis wirklich auf sich genommen hatte, denn seine Freundschaft zu Loridan war nicht der einzige Grund für seine Entscheidung gewesen. Vor sieben Jahren war er zum ersten Mal Elaine begegnet, der Tochter des Fürsten Gorlac, die in Car-Tiatha aufgewachsen war. Eine kindliche Zuneigung hatte sie damals verbunden, aus der langsam Liebe geworden war. Inzwischen lebte Elaine wieder in Car-Carioth bei ihrem Vater, und fast zwei Jahre lang waren sie voneinander getrennt gewesen. Doch vor einem halben Jahr hatte ein Auftrag Deryn nach Car-Carioth geführt, und er hatte die Fürstentochter wiedergesehen, die inzwischen zu einer jungen Frau herangewachsen war. Er hatte in der Woche seines Aufenthalts viel Zeit mit ihr verbracht, und sie hatten ihren Liebesschwur erneuert. Trotz ihres Standesunterschieds war es Deryns unverrückbare Absicht, Fürst Gorlac früher oder später um Elaines Hand zu bitten. Die Suche nach Loridan wäre immerhin ein Vorwand für ein Wiedersehen mit seiner geliebten Freundin. Nun galt
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