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Brückenschläge: Zwei Generationen, eine Leidenschaft (German Edition)

Brückenschläge: Zwei Generationen, eine Leidenschaft (German Edition)

Titel: Brückenschläge: Zwei Generationen, eine Leidenschaft (German Edition)
Autoren: Christian Lindner , Hans-Dietrich Genscher
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geschrieben haben. Damals hätte ich mir nie träumen lassen, dass ich mir eines Tages mit Ihnen Geschichten erzählen würde. Und jetzt sitzen wir hier … Damals gab es auch einen jungen Mann, der zu uns jungen Liberalen gehörte, der auf Erneuerung und Generationengerechtigkeit angesichts einer festgefahrenen schwarz-gelben Koalition drängte und der griffiger als andere formulieren konnte – Guido Westerwelle. Grundmotiv für mein Engagement war allerdings der politische Liberalismus an sich. Deshalb habe ich mich für Karl-Hermann Flachs Schriften, für Ralf Dahrendorf und für Friedrich-August von Hayek interessiert. Die Frage, ob ich selbst den Weg in die Berufspolitik nehme, hat sich mir zu dieser Zeit überhaupt nicht gestellt. Das war für mich eine Welt fernab von meiner Wirklichkeit. Ich wollte einfach nur ein Liberaler sein.
    GENSCHER
    In dem Sinne hat Walter Scheel einmal wunderbar formuliert: »Wer zu uns kommt, ist früher an den Fleischtöpfen der großen Parteien vorbeigegangen und wusste, dass er sich auf eine schwierige Sache einlässt.«
    LINDNER
    Das kann man wohl sagen. Mein erster Bundestagswahlkampf war dann 1994 . Damals haben wir auf dem Wochenmarkt in Wermelskirchen gestanden, die Stimmung gedrückt. Die Botschaft lautete: FDP wählen, damit Kohl Kanzler bleibt. Die meisten sind an unserem Stand vorbeigegangen, die wollten noch nicht einmal Kulis oder Luftballons von uns annehmen. Irgendwann ist dann die CDU -Vorsitzende zu uns gekommen, mit heißem Kaffee und mitleidigem Blick. Das ist mir im Gedächtnis geblieben und erinnert mich bis heute immer wieder daran, dass wir als FDP unsere Eigenständigkeit bewahren müssen – auch in Koalitionen. Sie sehen also, um Karriere zu machen, war die FDP damals sicherlich nicht die erste Adresse.
    GENSCHER
    Was war denn Ihr Berufsziel?
    LINDNER
    Ich hatte keinen Reißbrettplan, es war mehr mein Drang zur Unabhängigkeit, der mich getrieben hat. Ich ging noch zur Schule, als ich in eine eigene Wohnung gezogen bin. Unabhängig zu sein, das hieß für mich auch damals schon, mein Leben selbst zu bezahlen. Aus meinem Elternhaus wegzuziehen und gleichzeitig von meinem Elternhaus finanziert zu werden, das kam für mich nicht in Frage. Also habe ich ein Gewerbe angemeldet und eine Werbeagentur gegründet. Der Anstoß kam von einem Schüler-Job, den ich zuvor hatte. Ein Unternehmen hat für ein Café, in dem Kunden als Werbemaßnahme zum Surfen im Internet eingeladen wurden, Betreuer gesucht. Das habe ich dann gemacht. Aber es kamen keine Besucher. Da habe ich dem Unternehmen vorgeschlagen, eine kleine Kampagne zu starten, um das Angebot bekannt zu machen. Das hat gut geklappt – und ich dachte, das kannst du auch für andere machen.
    Ich habe dann sieben Jahre – bis Ende 2004  – in dieser Branche gearbeitet, auch mit namhaften Kunden und professionellen Etats. Eine Zeit lang sogar neben Studium und Politik. Ich war parallel ein paar Monate an einem Internet-Unternehmen der sogenannten New Economy beteiligt. Als wir – drei Partner und ich – begannen, stand der DAX bei 8000 Punkten. Als wir dann mit unserem Angebot an den Markt wollten, stand er bei 2000 Punkten – der Höhenflug war beendet. Unsere potenziellen Kunden – andere Internet-Unternehmen – und die Budgets hatten sich zwischenzeitlich in Luft aufgelöst. Und später auch unser Unternehmen. Also, ein Engagement in der freien Wirtschaft war erfolgreich, ein anderes nur lehrreich.
    GENSCHER
    Haben Sie das als Scheitern begriffen?
    LINDNER
    Natürlich waren wir sehr enttäuscht. Wir hatten ein Team von Mitarbeitern, einen privaten Investor mit den üblichen Fördermitteln, viel Herzblut – aber eben keinen Markt mehr. Bemerkenswert finde ich allerdings, dass ich selten auf mein über Jahre erfolgreiches unternehmerisches Engagement angesprochen werde. Einige Monate Beteiligung an einem am Ende nicht erfolgreichen Projekt sind für politische Mitbewerber und Beobachter dagegen eine gern genutzte Angriffsfläche. Ich selbst kann damit umgehen, aber ich frage mich, welchen Eindruck das auf junge Menschen macht, die auch den Schritt in eine Selbständigkeit mit allen ihren Risiken erwägen: Bei Erfolg darf ich mich auf Neid, bei Misserfolg auf Spott gefasst machen? Da werbe ich für ein realistischeres Bild und eine andere Mentalität.
    GENSCHER
    Das teile ich. Und wie kam es dann zur Politik? Ich habe Sie 1998 zum ersten Mal als Landesvorstandsmitglied wahrgenommen, als ich
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