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Brückenschläge: Zwei Generationen, eine Leidenschaft (German Edition)

Brückenschläge: Zwei Generationen, eine Leidenschaft (German Edition)

Titel: Brückenschläge: Zwei Generationen, eine Leidenschaft (German Edition)
Autoren: Christian Lindner , Hans-Dietrich Genscher
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Staatsverschuldung und zum Abbau der Arbeitslosigkeit. Einen dramatischen Höhepunkt hatte die Auseinandersetzung in der SPD am 30 . Juni 1982 , als Helmut Schmidt die SPD -Bundestagsfraktion in einer Rede beschwören musste, den Regierungskurs in der Wirtschafts- und Finanzpolitik nicht zu verlassen. Um in diesen Fragen die Handlungsfähigkeit der Bundesregierung zu erhalten, haben wir uns für den Koalitionswechsel entschieden.
    LINDNER
    Sie hatten aber vorher bereits intensive Kontakte mit der CDU / CSU und Helmut Kohl?
    GENSCHER
    Helmut Kohl habe ich Anfang der sechziger Jahre beim Aufbau des ZDF kennengelernt. Er hatte die Fäden für die CDU in der Hand, ich für die FDP . Daraus wurde auch ein freundschaftliches und familiäres Verhältnis. Das hat manches erleichtert, aber natürlich dort, wo unterschiedliche Auffassungen aufeinandertrafen, Sachgegensätze nicht von vornherein auflösen können. Natürlich habe ich ihn auch getroffen, als er Oppositionsführer war. Das habe ich später genauso mit der SPD gehalten. Es gehört in einer Demokratie dazu, dass man miteinander und vertraulich sprechen kann. Für den Außenminister gilt das besonders. Mir ging es immer darum, die deutsche Außenpolitik dadurch berechenbarer zu machen, dass sie von einer Mehrheit getragen wurde, die über die jeweilige Regierungsmehrheit hinaus ging. Ich weiß von Ihnen, dass Sie ebenso solche Gesprächskontakte pflegen.
    LINDNER
    Mit einer Reihe von führenden Sozialdemokraten – ja. Ich mache kein Geheimnis daraus: Ich habe in der SPD genauso viele Gesprächspartner wie in der Union. In jeder Partei gibt es kluge Köpfe, von deren Argumenten man etwas lernen kann. Ich bin ein großer Befürworter der »Agenda 2010 «, vor der leider der größere Teil der SPD inzwischen auf der Flucht ist. Mit den Grünen tue ich mich allerdings schwerer. Viele haben dort ein festgefügtes Weltbild, durch das sie bis in das persönliche Gespräch hinein andere Sichtweisen kaum ertragen können. Ich bedaure das.
    Wenn Sie Ihre Arbeit in Koalitionen bilanzieren, welche strategischen Schlussfolgerungen ziehen Sie für die FDP ?
    GENSCHER
    Man muss sich und anderen klarmachen, was man in der Sache will. Auf dieser Grundlage kann man sagen, welche Koalition die beste Problemlösungsfähigkeit hat.
    LINDNER
    Gegenwärtig ist das die Koalition aus CDU / CSU und FDP unter Führung von Angela Merkel.
    GENSCHER
    Das sehe ich ausdrücklich wie Sie. Auch vor einer Wahl hat der Wähler Anspruch darauf zu erfahren, mit wem man nach einer Wahl regieren will. Für falsch halte ich aber, dass man mehr Aufmerksamkeit darauf verwendet zu sagen, mit wem man nicht koalieren will. Man muss ja bedenken, welche Handlungsmöglichkeiten dann noch verbleiben, wenn das angestrebte Modell nicht erreichbar ist. Also: Sagen, was man will und mit wem – aber nicht alles ausschließen. Das zwingt auch andere Parteien, ihre Karten auf den Tisch zu legen.
    LINDNER
    Das Festhalten an eigenen Überzeugungen und das Bemühen, programmatische Avantgarde zu sein, sichert die Eigenständigkeit der FDP . Als liberale Partei haben wir Gemeinsamkeiten und Unterschiede mit allen Parteien. Die Differenzen mit dem Koalitionspartner muss man dabei nicht jeden Tag neu herausstellen, wie ich finde. Wie haben Sie diese Eigenständigkeit der FDP in den Koalitionsregierungen gepflegt? Von Ihnen kenne ich eine schöne Pointe. Wenn ein Koalitionspartner beklagt, dass der Schwanz mit dem Hund wedelt …
    GENSCHER
    … dann sucht sich der Schwanz einen neuen Hund. Natürlich gehört zur Funktionsfähigkeit einer Koalition absolute Seriosität in der Zusammenarbeit. Und Berechenbarkeit. Alle Koalitionsparteien müssen sich ihrer unterschiedlichen Größe bewusst sein, aber auch der Tatsache, dass sie eben nur zusammen eine Mehrheit haben. Um es noch deutlicher zu sagen: Beide Koalitionsparteien haben gemeinsam, dass sie allein keine Mehrheit besitzen. Dass der eine dabei größer ist als der andere, wird bei der Wahl des Bundeskanzlers und der Zahl der Ressorts berücksichtigt.

Persönlichkeiten
    LINDNER
    Abschließend möchte ich noch sagen: Für mich ist immer das Spannende an der FDP gewesen, dass sie ganz unterschiedliche Persönlichkeiten ausgehalten hat. Otto Graf Lambsdorff und Sie, zum Beispiel, sind sehr verschieden gewesen und haben trotzdem gemeinsam etwas bewirkt.
    GENSCHER
    In der Tat. Das war ein Verhältnis von Mann zu Mann, von Respekt zu Respekt, von Vertrauen zu Vertrauen.
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