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Bruderherz. Eine ägyptische Liebe. (German Edition)

Bruderherz. Eine ägyptische Liebe. (German Edition)

Titel: Bruderherz. Eine ägyptische Liebe. (German Edition)
Autoren: Tilman Janus
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gehen?
    Ascan jedoch lächelte. Seine großen Osiris-Augen sahen mich nachsichtig an.
    »Verrückter Quizmaster. Ein Mädchen!«, sagte er.
    »Ein Mädchen?«
    »Ja, ein finnisches Mädchen. Eine Tramperin, die ich vor ein paar Tagen im Auto mitgenommen hatte, und die in meiner Wohnung ihr Standquartier aufgeschlagen hatte, um Berlin kennenzulernen.«
    »Ich dachte, der Name wäre …«
    »Ich weiß, was du dachtest.«
    »Ascan – ich kann nicht dafür, ich bin schrecklich neugierig.«
    »Vor allem bist du schrecklich eifersüchtig, Hagen«, stellte er fest. Diesmal lachte er nicht, sondern sah mich ganz ernst an. Sein Blick war tief und aufwühlend.
    Eine wahnsinnige Hoffnung überfiel mich. Ich stürzte in einen glühenden Schlot von flüssigem Gestein, wurde emporgeschleudert, flog zwischen Lava und glosender Asche hinauf in den unendlichen Himmel, stieß an die Sonne und umfasste sie glückselig mit riesigen Armen.
    »Aber das steht dir nicht zu«, ergänzte er und wandte seinen Blick ab.
    Ich stürzte wieder hinab, abgewiesen, verstoßen, verbrannt und todeswund.

3. Die Wüste
     
    Ich ging weg von meinem Bruder,
    ich entfernte mich von meiner Liebe.
    Das Herz blieb in mir stehen.
    Erblickte ich süßen Kuchen, war es,
    als blickte ich auf Salz.
    Most, der sehr süß ist,
    in meinem Mund war er wie
    Vogelgalle.
    Der Hauch seiner Nase allein
    ist es, der mein Herz belebt.
    Ich fand, was Amon
    für mich bestimmt hat
    für alle Dauer, alle Zeiten.
    FASTEN SEAT BELT! Ich lehnte mich in den Flugzeugsitz zurück und nahm die Enden des Sicherheitsgurtes in die Hände.
    Abgewiesen, verstoßen, verbrannt und todeswund.
    Ich hatte es geschafft, fast zwei Wochen lang bei Ascan zu wohnen, ohne über ihn herzufallen. Oft hatte ich zwischen der Arbeit im Seminar und der Fahrt zu Ascans Wohnung mein Sportstudio besucht oder Sex mit einem meiner zahlreichen Bekannten gehabt, auch mit dem jungen Feuerwehrmann. Es half etwas, den Innendruck zu reduzieren, aber es half nicht gegen den Schmerz.
     Ascan zog sich nach unserem Theaterabend vor mir zurück. Wir begegneten uns innerhalb seiner weitläufigen Wohnung  immer seltener. Doch einmal sah ich ihn – nein, ich wollte daran nicht denken …
    Er war oft verabredet, mit Freundinnen, wie er sagte. Er brachte aber keine Frau – und auch keinen Mann – mit nach Hause, und schon dafür war ich dankbar.
    Meistens konnte ich nicht einschlafen. Wenn ich masturbierte und dabei darauf achten musste, dass auch wirklich nichts auf das Bettzeug käme, beschloss ich jedes Mal, in ein Hotel zu ziehen. Aber dann hörte ich am nächsten Tag seine Stimme und war über jede Minute froh, die ich in seiner Nähe verbringen durfte.
    Endlich konnte ich meine Wohnung wieder beziehen. Ich war erleichtert und todkrank zugleich. Ich wusste, dass ich ihm nie wieder so nahe sein würde wie in den vergangenen Tagen. Doch gerade in dieser Zeit hatte er sich nur noch weiter von mir entfernt.
    Ich schloss den Gurt. Die schwere, kühle Metallschließe lag genau auf meiner harten Schrittwölbung. Neun Jahre lang hatte ich geahnt und gefürchtet, dass Ascan niemals zugänglicher werden würde – und nur wenige Tage hatte ich gebraucht, um es endgültig zu wissen.
    Das Flugzeug setzte zur Landung in Kairo an. Durch das kleine Fenster sah ich weit unten die gelbe, flimmernde Wüste. Wie ein merkwürdiger Irrtum zog sich ein schmaler, grüner Streifen durch die unendliche Trockenheit: das Niltal. Ich erkannte am Rand die Pyramiden, winzig wie Kinderspielzeug.
    Die Maschine landete orientalisch-stilgerecht mit erheblicher Verspätung. Milde Luft umgab mich, während ich mit dem Zubringerbus über das Rollfeld fuhr, vorbei an mächtigen Jumbojets aus Kuwait und Saudi-Arabien. Ich versuchte, mich dieser lauen, wie ein Erlösungsversprechen schmeichelnden Luft hinzugeben und meinen Schmerz abzulegen wie einen Mantel, den ich nicht mehr tragen durfte, weil er mit höllischer Glut ausgefüttert war und meine Haut verbrannte.
    Als ich nach der langwierigen Passabfertigung das Flughafengebäude verließ, musste ich durch ein Spalier johlender Bettler laufen, die jeden europäisch aussehenden Ankömmling mit ausgestreckten Händen begrüßten, um Bakschisch zu erhalten. Schwarz uniformierte Soldaten standen tatenlos herum, sie wirkten selbst beinahe so abgerissen wie Bettler. Elend, Armut, Übervölkerung und Arbeitslosigkeit sprangen hier so deutlich ins Auge, dass mein privater Kummer dagegen lächerlich erschien.
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