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Bruder Kemal: Ein Kayankaya-Roman (German Edition)

Bruder Kemal: Ein Kayankaya-Roman (German Edition)

Titel: Bruder Kemal: Ein Kayankaya-Roman (German Edition)
Autoren: Jakob Arjouni
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neuen Roman Die Reise ans Ende der Tage »nicht zuletzt die Folgen der zunehmenden ethnischen Einfalt: die Verdummung und Verrohung einer ganzen Gesellschaft und den Verlust von Phantasie und Träumen«.
    Ich war nervös, als ich Katja Lipschitz anrief.
    »Guten Morgen, Herr Kayankaya, alles in Ordnung?«
    Im Hintergrund hörte ich das inzwischen auch mir bekannte Buchmessebrausen. Alle Geräusche in der riesigen Halle mischten sich wie zu einer einzigen meterhohen, ununterbrochen rollenden Ozeanwelle.
    »So kann man’s nicht sagen. Rashid ist entführt worden.«
    »Was?!«
    »Nun, offenbar war an den Drohbriefen und Anrufen doch was dran.«
    »An den Anrufen?!« Ihre Stimme wurde laut. »Es gab keine Anrufe! Das habe ich doch nur erzählt! Und die Briefe…! So ein Quatsch! Um Gottes willen! Sind Sie sicher, dass er nicht nur einfach irgendwohin gefahren ist, eine Frau kennengelernt hat, was weiß ich…?!«
    »Tut mir leid, die Entführer haben mich angerufen.«
    »Was fordern sie?!«
    »Im Moment noch nichts. Aber sie haben den Namen ihrer Gruppe genannt: ›Die zehn Plagen‹.«
    »Aber… das ist ja genau der Titel von Herrn Doktor Breitels Vortrag!«
    »Tja, vielleicht lesen die Kerle die Berliner Nachrichten, oder Breitel hat den Namen bei seinen Recherchen auf irgendwelchen einschlägigen Internetseiten gefunden.«
    »Ich fass es nicht, Herr Kayankaya! Nicht im Traum hätte ich daran geglaubt, dass Malik wirklich… Der Arme! Er tut mir so leid!«
    »Sie müssen jetzt ruhig bleiben, Frau Lipschitz. Melden Sie Rashid krank, schwere Halsentzündung oder so was. Und rufen Sie auf keinen Fall die Polizei! Ich werde alles versuchen, ihn so schnell wie möglich da rauszuholen.«
    »Aber unseren Verleger muss ich informieren. Was passiert denn bei Geldforderungen? Oder wenn die wollen, dass Rashids Roman eingestampft wird? Wie bei Rushdie, wissen Sie?«
    »Warten Sie, bevor Sie mit Ihrem Verleger sprechen. Ich hatte nicht den Eindruck, dass die Entführer es auf Geld abgesehen haben. Es geht ihnen wohl mehr darum, ein Exempel zu statuieren: Seht her, wie wir euch mitten in eurem Land Angst einjagen können. Eine Machtdemonstration, verstehen Sie? Oder Befriedigung der Eitelkeit – das ist bei Terroristen ja meistens schon der ganze Beweggrund. Vielleicht ist es mit einer einfachen Pressemitteilung, bei der der Name der Gruppe genannt wird, getan. »
    »Ich hoffe von ganzem Herzen, dass Sie recht haben. Aber was soll ich denn nun machen?«
    »Wie gesagt, Rashid krankmelden und sonst nichts. Ich rufe Sie an, sobald ich Neuigkeiten habe.«
    »Wissen Sie was? Diese angeblichen Männer Gottes! Ich werde für Rashid beten!«
    »Das ist eine gute Idee, Frau Lipschitz, etwas Besseres können Sie nicht tun. Bis bald.«
    14
     
    Abakay wurde am Mittwoch freigelassen. Am Donnerstag erhielt ich einen Anruf von einem Mitarbeiter Scheich Hakims.
    »Kennen Sie das Café im Türmchen oben im Grüneburgpark gegenüber vom Koreanischen Garten?«
    »Ja.«
    »Heute Abend um zehn können Sie Ihren Mann da in Empfang nehmen.«
    Um halb zehn lief ich zwischen Bäumen und Sträuchern den Weg zum Türmchen hinauf. Der Grüneburgpark war um diese Uhrzeit und bei leichtem Nieselregen menschenleer. Einmal roch ich Zigarettenrauch, wahrscheinlich von einem Obdachlosen, der sich irgendwo unters Gebüsch gelegt hatte.
    Das Türmchen war dunkel, nur von der ungefähr fünfzehn Meter entfernten schmalen Straße leuchtete schwaches Laternenlicht herüber. Dort, wo tagsüber die Caféstühle und -tische im Kies standen, ragte nun einsam ein mit einer Langnese-Reklamepappe behängter Mülleimer in die trübe Nacht. Ich hatte zwei Pistolen dabei: Meine offizielle, registrierte im Rückenholster und eine inoffizielle, nicht registrierte – jedenfalls nicht auf mich –, die ich vor ein paar Jahren während einer Wohnungsdurchsuchung bei einem mit Crack dealenden Banker hatte mitgehen lassen.
    Ich blieb eine Weile ans Türmchen gelehnt stehen und beobachtete den Platz davor, die Büsche drumherum, die Straße und den Eingang zum Koreanischen Garten. Nichts bewegte sich, und irgendwann ging ich zum Mülleimer und legte schnell die nicht auf mich registrierte, geladene Waffe darunter. Für alle Fälle, und falls Gott doch nicht mit mir war.
    Einen Moment lang hatte ich Slibulsky bitten wollen, mich zu begleiten, um mir zur Not Rückendeckung zu geben. Aber erstens hatte ich keine Lust auf Laras Rumgezicke, und zweitens glaubte ich nicht, dass Hakim
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