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Brixton Hill: Roman (German Edition)

Brixton Hill: Roman (German Edition)

Titel: Brixton Hill: Roman (German Edition)
Autoren: Zoë Beck
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Wenn du mir eine öffentliche Botschaft schickst, werde ich es auch tun.
    Kurz darauf war auf ihrem Twitteraccount zu lesen:
    ich weiß, wer das heute war. ich weiß auch warum.
    #canarywharf

Kapitel 8
    A nders als ihr Bruder hatte Em keinen Führerschein. Nicht dass sie in dieser Nacht noch hätte fahren können, dazu hatte sie zu viel getrunken. Aber grundsätzlich sah sie keine Notwendigkeit, in London ein Auto zu besitzen. Sie vermisste es nie. Man konnte nicht sagen, dass sie besonders gern die öffentlichen Verkehrsmittel nutzte. Auch nicht ungern. Eher leidenschaftslos. Sie hatte wahrscheinlich noch nie darüber nachgedacht, so wie man nicht darüber nachdenkt, ob man gern einen Bürgersteig entlanggeht. Man tut es einfach.
    Den Liniennetzplan hatte sie im Kopf und könnte ihn, mit ein paar Unsicherheiten an den äußeren Rändern, jederzeit aufzeichnen. Sie nahm die Jubilee Line bis London Bridge, stieg um in die Northern, fuhr bis Stockwell, dann ein letztes Mal umsteigen in die Victoria, um eine Station weiter bis zur Endstation Brixton zu fahren. Das Umsteigen verlief ohne nachzudenken, und erst als sie in Brixton durch das Drehkreuz zum Ausgang ging, fiel ihr ein, dass sie gar nicht wusste, wo sie entlangmusste. Sie kannte nur den Weg zur Brixton Academy, weil sie dort manchmal Konzerte besuchte.
    Brixton: The Clash hatten noch vor den Brixton Riots in den Achtzigerjahren den Song »Guns of Brixton« aufgenommen, der das Lebensgefühl der Gegend zu beschreiben versuchte. Im Zweiten Weltkrieg zerbombt, danach durch verstärkten sozialen Wohnungsbau weiter heruntergekommen. Afrikanisch-karibische Einwanderer wurden hier angesiedelt; Brixton galt als das schwärzeste Viertel Londons. Die Brixton Riots waren selbst noch in den Neunzigern durch das gewaltvolle Aufeinandertreffen weißer Polizisten und schwarzer Einwohner ausgebrochen. Es gab keine Hotels in Brixton und keine teuren Läden in der Brixton Road, der Einkaufsstraße. Die Gentrifizierung des Viertels hatte dennoch begonnen. Schleichend zwar und nicht so offensichtlich wie im Londoner Osten oder in anderen Südlondoner Stadtteilen. Aber sie war da. Der Brixton Market war als Touristenattraktion in jedem Stadtführer aufgeführt. Das Brixton Village galt als Ort für weiße Künstler und Kleingewerbler, die sich anderswo die Mieten nicht leisten konnten. Neue Cafés waren nach Schriftstellern benannt, weiße Studenten mit MacBooks hielten sich dort auf. Tänzer und Sänger, mit denen Em manchmal arbeitete, waren hierhergezogen, weil die Anbindung an die City schnell und gut war. Wie lange es wohl noch dauern würde, bis Brixton so angesagt war wie Notting Hill? Für Em klang Brixton noch immer nach den Riots. Mit den Bildern blutender Polizisten und brennender Läden war sie aufgewachsen. Bilder aus einer anderen Welt, von der anderen Seite des Flusses.
    Den Weg zu Alan musste sie erst rekonstruieren. Wo sie damals entlanggegangen waren. An welche Gebäude sie sich erinnerte. An welche Details. Sie ging die Straße links hinunter, weil es ihr richtig vorkam. Em versuchte, sich an mehr zu erinnern. Ob der Name einer Seitenstraße ihr etwas sagte. Nach einigen Minuten drehte sie sich um und stellte fest, dass sie die ganze Zeit leicht bergauf gegangen war, ohne es zu merken. Nichts kam ihr bekannt vor. Aber es war auch nichts vollkommen fremd. Sie ging weiter, konzentrierte sich auf die Erinnerung, dachte an die Nacht mit Alan, die nun schon über drei Monate zurücklag.
    Er arbeitete als Tontechniker bei einem Showevent, für das sie die künstlerische Leitung hatte. Erster Blickkontakt während der Proben, dann in den Pausen ein wenig reden. Auf der Premierenfeier, nach einigen Gläsern Champagner und Wein – in seinem Fall Bier und Whisky –, kamen sie sich näher. Er hatte nicht den ersten Schritt gemacht. Er hatte eher so gewirkt, als rechnete er damit, das Opfer einer Wette zu sein. Dabei sah er nicht schlecht aus. Alan war groß, hatte dunkle, melancholische Augen, ein vielleicht etwas zu weiches Gesicht, die dunklen Haare fielen ihm weit über die Augenbrauen und bildeten einen krassen Gegensatz zu seiner hellen Haut. Im Look eine Mischung aus Brit-Pop und Nerd, im Auftreten schüchtern, unsicher, scheu. Jemand, der versuchte, die Aufmerksamkeit eher von sich abzulenken, als sie auf sich zu ziehen. Eine verletzliche Seele, ein Abgrund, den viele als Schwäche deuteten. Em fand ihn anziehend.
    In den frühen Morgenstunden hatte Alan erstaunt
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