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Britannien-Zyklus 04 - Die Herrin der Insel

Titel: Britannien-Zyklus 04 - Die Herrin der Insel
Autoren: Diana L. Paxson
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durch die Halle von Camelot getragen wurde und sie alle geheilt hatte, lag kaum drei Monate zurück.
    Was für ein Glück das gewesen war – halb gelähmt hätte er diesen Anstieg nie und nimmer aus eigener Kraft bewältigt. Nun jedoch, während er den Blick über eine Landschaft blauer Weiten schweifen ließ, geriffelt durch Hügelrücken und Täler, segnete der König jenes Missgeschick, das ihn hierher geführt hatte. Letzten Sonntag hatte Vater Paternus über die Versuchung Christi gepredigt, den der Teufel an einen hohen Ort gelockt hatte, um ihm die Pracht aller Königreiche dieser Welt zu zeigen. Während Artor sich umsah, dachte er, dass dem Verfasser des Evangeliums ein Irrtum unterlaufen sein musste, denn er selbst war Hochkönig all dessen, was sein Auge erspähte, und der Anblick erfüllte ihn keineswegs mit Stolz oder Machtgefühlen, sondern mit Erstaunen.
    Und, so überlegte er, als der nächste Augenblick ihm eine neue Wahrnehmung bescherte, mit Demut. Wie konnte irgendjemand diese gewaltigen Weiten aus Bergen und Ebenen betrachten und behaupten, er herrsche über sie?
    Unter ihm fiel das Land in langen grünen Hängen zur Mündung des Flusses Sabrina hin ab, hier und da von dem Goldschimmer sich verfärbender Blätter durchsetzt. Eine Rauchwolke verhing die Schindeldächer von Castra Legionis; dahinter konnte er gerade noch das blaue Funkeln des Wassers ausmachen. Etwas näher erblickte er die Villa, von wo die Jagdgesellschaft an jenem Morgen aufgebrochen war. Im Süden, jenseits des Flusses, erstreckten sich verschwommen die Gebiete Dumnonias. Östlich befanden sich die Reichsmitte und dahinter Londinium und die Länder der Sachsen. Wenn er nach Norden schaute, konnte er sich die ganze Länge der Insel vorstellen, bis hinauf zu den Stämmen von Alba, die jenseits des Walls lebten. Der Himmel im Norden war von Wolken verhangen. Ein Sturm braute sich zusammen, aber Artor blieb noch ein wenig Zeit, ehe das Unwetter einsetzen würde.
    Von diesem Berggipfel aus wirkten die Werke der Menschheit wie bloße Kleckse auf der geheiligten Insel Britannien, die gleich einem Juwel inmitten der silbrig funkelnden See prangte.
    Aber das Land gehört mir nicht, dachte Artor. Man sollte besser sagen, dass ich dem Land gehöre.
    Ein sanfter Schubs von Corvus riss ihn aus seiner Grübelei. Grinsend drehte er sich um und streichelte das Pferd zwischen den beweglichen Ohren, wo die schwarze Haut unter dem Zaumzeug schwitzte. Menschen waren nicht dafür geschaffen, in solcher Höhe zu leben, und um diese Jahreszeit würde die Dunkelheit einsetzen, bevor er einen Unterschlupf erreichen konnte. Artor tätschelte den Hals des Rappen, ergriff die Zügel und brach den Hügel hinab auf.
     
    Jahrelang, dachte Medrod, hatten ihn diese Hügel in seinen Träumen heimgesucht. Aber er hatte die Insel der Maiden seit seiner Kindheit nicht mehr besucht und sich fest eingeredet, dass die dunklen, bedrohlichen Schemen, derer er sich besann, lediglich der Einbildung eines Kindes entsprangen. Er war an Berge gewöhnt – an die hohen, wilden Gipfel des Piktenlandes und die verschlungenen Hügel der Votadini. Wieso sollten diese Berge so anders sein? Doch mit jeder Stunde, die er ritt, kamen die buckligen Gestalten näher und wirkten zunehmend furchteinflößend.
    Das sind die Hügel meiner Mutter … dachte er voll Ingrimm. Sie sind wie sie. Er fürchtete diese Hügel ebenso sehr wie den Gedanken, ihr gegenüberzutreten. Doch er war fünfzehn und somit ein Mann. Keine Furcht konnte ihn jetzt noch aufhalten.
    Bei Voreda traf er einen Hirten, der einwilligte, ihn für ein paar Silberstücke zu führen. Drei Tage lang folgten sie dem schmalen Pfad, der durch die Hochweiden und zwischen den Bäumen hinab verlief. Wie viele Menschen, die überwiegend allein leben, neigte der Hirte in Gesellschaft zum Plaudern, und so schwatzte er fröhlich vor sich hin, bis ihn ein durchdringender Blick von Medrod verstummen ließ. Danach reisten sie in einer trübseligen Stille weiter, die an den Nerven des jungen Mannes zehrte, bis er beinahe bereit war, den Hirten aufzufordern, wieder draufloszuplaudern.
    Doch mittlerweile hatten sie den Pass unterhalb des Steinkreises erreicht, und Medrod konnte den See erblicken, die runde Insel und die durch die Bäume schimmernden Rieddächer der Gebäude. Er bezahlte den Hirten, erklärte ihm, dass er dem Pfad von hier aus ohne Führer zur Küste folgen konnte und schickte ihn fort. Es kümmerte ihn wenig, ob der alte
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