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Britannien-Zyklus 04 - Die Herrin der Insel

Titel: Britannien-Zyklus 04 - Die Herrin der Insel
Autoren: Diana L. Paxson
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Mann ihm glaubte, solange er sich nur fortscherte. Den Rest der Reise musste er auf eigene Faust bewältigen.
    Allein zu sein war erschreckend, aber es vermittelte gleichzeitig das berauschende Gefühl von Freiheit. All die Jahre seines Heranwachsens war seine Mutter stets allgegenwärtig gewesen, selbst wenn sie nicht körperlich anwesend war, so als verbinde sie immer noch die Nabelschnur. Und dann, vor drei Monaten, als der Vollmond am Himmel stand, war die Verbindung abgebrochen.
    Wochenlang war er vor Entsetzen halb gelähmt gewesen; von jedem Boten erwartete er die Nachricht, Morgause sei tot. Es war Cunobelinus, der mit seinen Männern im Gefolge durch die großen Tore geritten kam und Medrod mitteilte, dass seine Mutter sich bei den Priesterinnen auf der Insel der Maiden befände und Cunobelinus selbst von nun an als Oberhaupt und Kriegsführer der nördlichen Votadini dienen und von Dun Eidyn aus herrschen würde.
    Cunobelinus verhielt sich anständig, und seine Leute behandelten Medrod wie einen königlichen Prinzen, wenn ihnen Zeit blieb, ihn überhaupt zu bemerken. Es war keineswegs der Verlust seines Ranges, der Medrod nach Süden getrieben hatte. Vielmehr war es dieses Lodern in den Eingeweiden, das in ihm aufzukeimen begann, als er noch befürchtete, Morgause sei tot, und das ihn zu ihr trieb, um ihr gegenüberzutreten. War man von Trauer zerrissen, fiel es schwer, Zorn einzugestehen. Doch seine Mutter lebte.
    Somit stand es Medrod frei, sie zu hassen.
    »Was tust du denn hier?«
    Medrod wirbelte herum; einen Augenblick war er völlig verblüfft darüber, dass er nicht gespürt hatte, wie seine Mutter die kleine, geweißelte Kammer betrat, in die ihn die Priesterinnen geführt hatten, um auf sie zu warten. Da er seit seiner Geburt auf ihre Anwesenheit eingestimmt war, hätte er eigentlich erzittern müssen wie eine Harfe, deren Saiten man anschlägt. Doch die Verbindung zwischen ihnen war abgerissen. Sofern er noch daran gezweifelt hatte, wurde es ihm nun bestätigt.
    »Du hast mich ohne ein Wort verlassen. Ist es denn so überraschend, dass ich gekommen bin, um zu sehen, wie es dir geht?«
    Morgause betrachtete ihn unsicher. Ohne Zweifel fühlte auch sie die unverkennbare Veränderung der Kräfte zwischen ihnen, und dies umso deutlicher, wie er voll Zorn bemerkte, weil sie diese Veränderung gar nicht erwartet hatte. Offensichtlich war ihr nicht bewusst gewesen, dass die Bande zwischen ihnen gerissen waren. Seit sie abgereist war, hatte sie überhaupt nicht mehr an ihn gedacht.
    »Wie du siehst«, meinte sie schließlich, »geht es mir gut.«
    Seine Augen verengten sich. »Du wirkst verändert.« Und dem war tatsächlich so, obwohl es auf den ersten Blick schwer fiel zu beschreiben, was genau anders war. Während sie früher stets Schwarz und Scharlachrot getragen hatte, kleidete sie nun das Dunkelblau einer ranghohen Priesterin der Insel. Doch das war nur äußerlich. Vielleicht wirkte sie deshalb verändert, weil ihre vornehme Gesichtsfarbe verblasst war oder weil neuerdings silbrige Strähnen ihr Haar durchzogen. Vielleicht lag es aber auch an der Aura der Macht, ja beinahe Gewalt, die Morgause früher umgeben hatte und die nun verschwunden war.
    Medrod tastete sich mit seinen inneren Sinnen vor, wie sie es ihn gelehrt hatte; blinzelnd schreckte er wieder zurück. Die Macht war nach wie vor da, jedoch gebändigt, beherrscht. Es kam ihm so vor, als machte diese innere Stille sie womöglich noch stärker. Eine beängstigende Vorstellung, doch sie änderte nichts. Nach dem heutigen Tage würde ihn nichts von dem, was sie tat, mehr verletzen können.
    Seine Mutter zuckte mit den Achseln – eine unscheinbare, vieldeutige Bewegung, die gleichzeitig Bedauern, Stolz und – seltsamerweise – Heiterkeit ausdrückte. Dann blickte sie ihn unvermittelt an; ihn schauderte.
    »Auch du hast dich verändert.« Ihre Stimme klang tonlos. »Warum bist du gekommen?«, erkundigte sie sich abermals.
    »Um dich anzuklagen – « Die Worte drangen als Flüstern über Medrods Lippen; zornig räusperte er sich. »Du hast sie getötet. Ohne ein Wort zu mir. Du hast Kea ermorden lassen! Wieso?«
    Er hatte Verachtung oder Wut erwartet, nicht aber dieses völlige Unverständnis, mit dem Morgause ihn anstarrte.
    »Die Sklavin!«, herrschte er sie verzweifelt an. »Mit der ich in Fodreu geschlafen habe!« Wie unzulänglich diese Worte für das schienen, was Kea mit ihm gemacht hatte, indem sie den ihr auferlegten Zwang in eine
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