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Britannien-Zyklus 02 - Die Herrin der Raben

Titel: Britannien-Zyklus 02 - Die Herrin der Raben
Autoren: Diana L. Paxson
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hat ihren Weg vollendet, und es ist an der Zeit, den unseren zu wählen. Seid ihr bereit, euch zu entscheiden?«
    »Ja!«, ertönte die Antwort aus zahlreichen Kehlen.
    »Dann lasst die Anführer eurer Sippen vortreten und euren Willen verkünden.«
    Haesta war der Erste, der sich aus der Menge löste.
    »Ich spreche für die Juten, die entlang des Fifeldor leben. Seit einer Generation bewachen wir eure nördliche Grenze. Wir fürchten uns nicht davor, zu kämpfen. Aber die Felder tragen keine Früchte für uns. Wir stimmen dafür, in die neuen Länder jenseits des Meeres zu reisen.«
    Daraufhin erhob sich Gemurmel, denn die Juten stellten einen beträchtlichen Teil der kampffähigen Männer. Als nächster trat ein Lehnsmann der Myrginge vor und erklärte, er würde bei seinem König bleiben. Einer nach dem anderen folgte und verkündete den Willen seiner Sippe. Und obwohl einige schworen, im Heimatland der Myrginge zu verweilen, wurde alsbald klar, dass diejenigen, die sich von Octhas Worten hatten überzeugen lassen, die Mehrheit bildeten.
    »Ich würde ja bleiben, aber ich habe das Gefühl, die Wahl wird mir abgenommen«, meinte ein Bauer, dessen üppige Felder sich weiter im Landesinneren befanden, fernab des Meeres. »Wir können jene nicht aufhalten, die beschließen, uns zu verlassen, und wie sollen wir uns gegen unsere Feinde verteidigen, wenn nur ein Zehnt unseres Volkes bleibt?«
    Diese Worte wurden zustimmend aufgenommen, und danach erklärten die meisten Männer, die vortraten, sie würden Octha folgen. Nur noch einige Häuptlinge aus den ältesten Familien sprachen sich fürs Bleiben aus, ebenso Eadguths treue Lehnsmänner, die kundtaten, sie würden bei ihrem König ausharren, solange er lebte.
    Geflaf wandte sich mit besorgter Miene an seinen Herrn.
    »Mein König, der Wille der Versammlung steht fest. Wollt Ihr nicht Eure Meinung ändern und einwilligen, uns in das neue Land zu führen?«
    Eadguth erhob sich aus dem Stuhl und legte die Hand auf die rissige Borke des mächtigen Baumes.
    »Wollt ihr diese Eiche entwurzeln und sie über das Meer befördern?« Seine Stimme klang schmerzlich rau. »Sie ist zu alt, zu tief verwurzelt, und dasselbe gilt für mich. Geht, wenn ihr wollt, ich kann euch nicht aufhalten. Ich bleibe in meinem Land.«
    Oesc schaute zu seinem Großvater und spürte einen Stich im Herzen, als hätte es jemand mit einer Nadel durchbohrt. Er sieht aus wie ein Toter. Plötzlich erfasste ihn das Verlangen, zu dem greisen Mann zu laufen, wie er es getan hatte, als er klein war, ehe er begriff, weshalb Eadguth ihn hasste. Doch auf seiner Schulter ruhte die Hand seines Vaters, und so rührte er sich nicht.
    Abermals strich Eadguths düsterer Blick über sein Volk, dann wandte er sich ab und trat den Rückweg in die Halle an. Seine Lehnsmänner folgten ihm mit ernsten Mienen.
    Jene aber, die dafür gestimmt hatten, mit Octha zu gehen, drängten sich nun um ihn und bestürmten ihn mit Fragen über das neue Land.
     
    Oesc erwachte aus einem Albtraum und rang nach Luft. Die Bettlaken drohten ihn zu erwürgen; mühevoll kämpfte er sich frei und verharrte keuchend. In dem Saal war sein eigener, rasselnder Atem der einzige Laut, draußen aber vernahm er Vogelgezwitscher. Es muss Sonnenaufgang sein, dachte er blinzelnd. Durch die geteilten Vorhänge vor seinem Alkoven erspähte er einen fahlen Schimmer aus dem langen Kamin und dahinter ein kälteres Licht. Er zog die Vorhänge auf und schaute hinaus in den Saal.
    Entlang des Kamins erblickte er die klobigen Umrisse schlafender Männer. Hinter ihnen jedoch stand die kleine Seitentür offen. Welcher tölpelhafte Leibeigene hatte sie wohl offen gelassen, fragte er sich. Aebbe, die stets früh aufstand, um die Leibeigenen beim Frühstück zu beaufsichtigen, würde gewiss schelten, wenn sie davon erführe.
    Doch nun war er neugierig. Wer war schon so früh hinausgegangen? Rasch stülpte er das Hemd über den Kopf und schlüpfte in die Schuhe; dann, weil die Luft kalt war, nahm er auch noch den Mantel vom Haken. Leise bahnte er sich einen Weg zwischen den schlafenden Männern hindurch und weiter zur Tür.
    Jenseits der Schwelle zeigten sich im schlammigen Boden zahlreiche Fußspuren, von einem zarten Frost verschleiert, den das erstarkende Licht bereits zu verzehren begann. Aber von jenem funkelnden Schleier zeichneten sich zwei Spuren unverkennbar ab, entlang der größeren Abdrücke sah Oesc die runden Male eines Stocks. Eine lange Weile starrte Oesc
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