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Bretonische Verhältnisse

Bretonische Verhältnisse

Titel: Bretonische Verhältnisse
Autoren: Jean-Luc Bannalec
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nicht. Beauvois gehörte nun zu denen, die gesteinigt werden sollten? Er selbst hielt Beauvois für einen Widerling, einen rücksichtslosen Narziss. Der – fast – über Leichen gehen würde, aber eben nur fast; und sein Beruf hatte ihn gelehrt, dass dieses »fast« von Relevanz war.
    »Beauvois ist ein kleiner Fisch. Vollkommen unbedeutend in diesem Fall.«
    Es fiel Dupin nicht leicht. Was er sagte, ging ganz gegen seinen Affekt. Aber sein Affekt gegen das, was sich im Augenblick abspielte, war noch um einiges größer.
    »Sie selbst haben ihn in die Präfektur bringen lassen. Unter anfechtbaren Bedingungen. Wir haben uns sehr, sehr weit aus dem Fenster gelehnt. Viel hatten wir nicht in der Hand. Das wussten Sie. Ich habe Sie – natürlich – gestützt.«
    Dupin mochte nicht mehr. Er würde einen anderen Weg finden. Mit äußerster Anstrengung ließ er los.
    »Wie Sie sagen, am Ende war es kein komplizierter Fall, Monsieur le Préfet. Und das Wichtigste: Der Fall ist gelöst.«
    »Na bitte! Und ich bin sehr glücklich darüber, Monsieur le Commissaire. Das war gute Arbeit.«
    Der Präfekt verfiel in ein tiefes, komplizenhaftes Lachen.
    »Dann wird Madame Pennec eine der wohlhabendsten Gefangenen sein, die ein französisches Staatsgefängnis je beherbergt hat, abgesehen von Louis Seize …«
    Locmariaquer hatte es als abschließenden Witz verstanden.
    »Ja – so ist es. Dann au revoir Monsieur le Préfet.«
    »Ich würde Ihnen gerne noch …«
    Dupin legte auf.
    Es war nicht eskaliert. Er hatte zwar einfach aufgelegt, aber er war nicht ausfällig geworden.
    Und es war ihm etwas eingefallen. Dupins Züge hellten sich mit einem Mal auf. Er hatte sich in den letzten Jahren mit einer Journalistin vom Ouest-France ein wenig angefreundet und schon einige Male »vertrauliche« Hintergrundgespräche mit ihr geführt. Lilou Breval. Sie würde vielleicht aus einer »geheimen Quelle« zusätzlich etwas über den Fall erfahren. Ein paar Details zu André Pennecs Verwicklung. Dupin wusste nicht, ob es die Dinge verändern würde. Dennoch. Die Presse würde so etwas lieben. Und Pennec würde Feinde haben. Die damit etwas anzufangen wüssten.
    Mittlerweile war Dupin am dritten der fünf Kreisel Concarneaus angekommen, an dem direkt hinter der hohen Brücke. Hier fuhr er die Straße links hinunter in die Stadt, durch den Hochseehafen. Die Fahrt hatte wirklich ewig lange gedauert heute Abend. Die ganze Region war auf den Beinen. So war es immer an den Festivaltagen. Schon oben am Kreisel war dumpfer Lärm zu hören gewesen, das Stampfen von Bässen. Er würde, das fiel ihm erst jetzt ein, keinen Parkplatz finden, die meisten Bereiche der Innenstadt waren gesperrt. Er hätte in einem großen Bogen um Concarneau herumfahren und sich von der anderen Seite der Stadt nähern müssen, um zumindest einigermaßen nahe an sein Haus zu gelangen. Er hatte aber keine Lust noch mal umzudrehen. Er beschloss, den Wagen im Industriehafen abzustellen, bei den großen Thunfischfänger-Booten und Werften. Und dann zu Fuß an den Quais entlangzugehen. Er würde den Wagen dann morgen holen.
    Der Hochseehafen war kein bisschen pittoresk. Noch immer verfügte Concarneau über eine beträchtliche Hochseefischereiflotte, die auf allen Weltmeeren unterwegs war. Das waren keine romantischen Fischerboote wie bei den Küstenfischern, es war eine hochmoderne Hightechflotte, die indes, auch darauf legten die Bretonen wert, nicht mit dem Einsatz der widerlichen Bodenschleppnetze arbeitete wie die japanischen Großflotten. Gewaltige Boote mit riesigen Transportarmen für die sehr schwere See. Véros Vater war auf einem solchen Boot gefahren, drei Jahrzehnte, und hatte so die Welt gesehen. Dupin hatte viele abenteuerliche Geschichten gehört. Die Hafenanlagen, die Gebäude, die Vorrichtungen und Konstruktionen, die Maschinen, all das war hier vollkommen funktionell. Dupin mochte den Hochseehafen genauso gern wie den historischen, natürlich ungleich idyllischeren Hafen weiter vorne, der immer noch von den lokalen Fischern mit ihren kleinen Holzbooten genutzt wurde.
    Tatsächlich gab es noch freie Parkplätze hier unten, auch wenn viele der Festivalbesucher dieselbe Idee gehabt hatten. Dupin stellte den Wagen ganz nahe am Wasser ab. Hier, anders als eben in Pont Aven, wehte der sanfte Sommerabendwind. Er kam vom Meer. Dupin atmete tief ein. Das Meer roch sehr stark heute Abend. Salz, Algen, Jod. Diese Luft zu atmen, veränderte immer alles.
    Eher schlendernd lief
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