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Bretonische Verhältnisse

Bretonische Verhältnisse

Titel: Bretonische Verhältnisse
Autoren: Jean-Luc Bannalec
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alle fuhren sie dahin heute Abend. Es machte ihm nichts aus. Nicht einmal, dass er den Präfekten anrufen musste. Er würde es schnell hinter sich bringen.
    »Monsieur – le Préfet, hier Kommissar Dupin.«
    »Ah. Sieh an. Mon Commissaire.«
    »Ich befinde mich auf dem Weg nach Concarneau.«
    »Ich habe bereits ausführlich mit Inspektor Kadeg telefoniert – wie die ganzen letzten Tage; Sie waren nicht zu erreichen. Die letzten achtundvierzig Stunden nicht. Ich … Es …«
    Er machte eine Pause. Dupin konnte geradezu durchs Telefon hören, wie Locmariaquer mit sich rang. Ob er noch wütend werden sollte. Dupin hätte es mit Gleichmut hingenommen. Aber der Präfekt entschied sich anders.
    »Am Ende war es ja dann kein so komplizierter Fall. Wir haben ihn gelöst.«
    Am Ende war es nie ein komplizierter Fall. Dupin kannte diesen Satz, er hörte ihn jedes Mal, wenn »wir« den Fall abgeschlossen hatten.
    »Nein, Monsieur le Préfet. Ich meine, ja, wir haben ihn gelöst. Und nein – es war am Ende kein so komplizierter Fall.«
    Dupins Stimme war freundlich.
    »Alle werden erleichtert sein. Die Presse wird es mit Wohlwollen aufnehmen. Ich muss schon sagen, Sie …« Locmariaquers Ton schien nun doch im Begriff, sich zu verändern.
    »Eigentlich, wenn ich überlege …«
    Er setzte neu an.
    »Es war wohl, ich denke, man kann es so sagen, eine große Familientragödie.«
    Locmariaquer schien nach den richtigen Worten zu suchen.
    »So viele, so gewaltige Gefühle. Über so lange Zeit. Ja, das sind schlimme Dinge.«
    Manchmal überraschte er Dupin – wenn auch sehr, sehr selten.
    »Ja, Monsieur le Préfet, so war es wohl. Eine Familientragödie.«
    »War es ein Mord – der Tod von Loic Pennec?«
    »Ich denke schon.«
    »Haben Sie eine Aussage von Madame Pennec?«
    »Eine erste Aussage, ja.«
    »Verlässlich, glauben Sie?«
    »Ich kann es nicht sagen.«
    »Ich werde noch heute Abend vor die Presse treten. Ich will, dass die Artikel über die erfolgreiche Aufklärung des Falles morgen überall zu lesen sind. Mit dem Gemälde ist der Fall zu einer nationalen Angelegenheit geworden, Dupin.«
    Es klang nicht nach einer Klage, es lag Stolz in Locmariaquers Stimme.
    »Bald ist Redaktionsschluss. Es müssen noch nicht alle Details sein. Aber das Wichtigste. Mir geht es ja nur darum, dass unsere Arbeit adäquat vermittelt wird. – Die Polizei im Finistère hat die Dinge fest in der Hand! Ich habe das Bild sofort nach Quimper bringen lassen.«
    »Ich verstehe.«
    Dupin kannte das. Locmariaquer hatte den Fall entschieden gelöst. Das war die Botschaft. Das war sie immer.
    »Denken Sie, dass der Sohn den Mord geplant hatte? Vorsätzlich? Das wird die Presse wissen wollen.«
    »Ich denke nein. Das ist – es ist an diesem Abend einfach passiert.«
    »Warum an diesem Abend?«
    »Pierre-Louis Pennec hatte seinem Sohn eröffnet, dass das Bild in den nächsten Tagen dem Musée d’Orsay übergeben werden sollte. Ich glaube …«
    Dupin hatte eigentlich keine Lust, mehr zu sagen. Er hatte an das Messer gedacht. Das Laguiole.
    »Ja? Was glauben Sie?«
    »Nichts.«
    »War das schon länger Pierre-Louis’ Plan gewesen? Das mit der Schenkung, meine ich.«
    »Vage schon. Konkret wurde er aber erst nach dem Besuch bei Docteur Garreg.«
    »Ja. Ich verstehe. War es Gier? Am Ende ging es um die vierzig Millionen oder nicht?«
    »Es ging um tiefe Verletzungen. Demütigungen. Über Jahrzehnte. Ich …«
    Dupin ärgerte sich, er wollte sich nicht ernsthaft auf ein Gespräch mit Locmariaquer einlassen.
    »Ja, Dupin?«
    »Sie haben recht. Es ging um die vierzig Millionen.«
    »Wie schätzen Sie Madame Pennec ein?«
    »Was ihre Motive waren, meinen Sie?«
    »Ja.«
    »Sie ist eine kaltblütige Person.«
    Wieder ärgerte sich Dupin über sich selbst.
    »Kaltblütig? Das klingt sehr dramatisch, Kommissar.«
    Dupin schwieg.
    »Und wo kam die zweite Kopie des Bildes her?«
    »Das weiß ich noch nicht. Ich vermute, dass Pierre-Louis Pennec sie besaß und sein Sohn davon wusste. Dass sie sich sogar im Hotel befand. Das werden wir noch herausfinden.«
    »Wegen dem Abgeordneten – Monsieur André Pennec. Er genießt Immunität.«
    Jetzt spürte Dupin doch einen Affekt in sich aufkommen. Er musste aufpassen.
    »Die wird aufgehoben werden müssen.«
    »Ich weiß nicht. Muss das denn sein? Er scheint doch eigentlich ein integrer Mann zu sein. Das wurde mir von mehreren berufenen Stellen glaubhaft versichert. Und seine Anwälte …«
    »Er wollte das Bild
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