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Bretonische Brandung

Bretonische Brandung

Titel: Bretonische Brandung
Autoren: Jean-Luc Bannalec
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befand sich nun auf dem schmalsten Streifen der Sandbank, das Wasser war inzwischen etwas gestiegen, rechts und links glitzerten türkise flache Lagunen, danach kam nur noch das Meer, unendlich, bis zum Horizont. Hinter ihm Saint-Nicolas, vor ihm Bananec. Er holte sein Telefon hervor. Sechzehn verpasste Anrufe. Seit seinem Gespräch mit Solenn Nuz. Sechzehn.
    Er wählte Nolwenns Nummer.
    »Monsieur le Commissaire?«
    Dupin überlegte, wie er beginnen sollte. Es fiel ihm schwer.
    »Ich weiß Bescheid. Über das Gröbste. Inspektor Riwal hat mich informiert.«
    Dupin war froh. Er hasste diese Zusammenfassungen. Besonders in diesem Fall.
    »Das alles ist sehr – tragisch.«
    Dupin hörte ihr an, dass sie etwas ahnte.
    »Das ist es, Nolwenn. Tragisch.«
    »Die arme Solenn Nuz. Unvorstellbar.«
    Dupin überlegte kurz, etwas mehr zu sagen. Aber er fühlte sich nicht in der Lage.
    »Sie können mir die Einzelheiten heute Nachmittag oder ein anderes Mal erzählen, Monsieur le Commissaire. Sie sollten nur den Präfekten anrufen. Er versucht es im Fünfminutentakt.«
    Ja, das würde er jetzt. Eine kleine Pause entstand.
    »Gut, Nolwenn.«
    »Gut, Monsieur le Commissaire.«
    Es lag in diesen Worten etwas Feierliches. Eine Art Abschluss. Nein, anders: Sie hatten, ohne irgendetwas auszusprechen, eine Art Abschluss hergestellt. Was Dupin seltsam froh machte.
    Er legte auf. Und ging weiter. Geradeaus, weiter auf Bananec zu. Entschiedenen Schrittes. Er wählte die Nummer. Es dauerte keine Sekunde, und der Präfekt hatte abgenommen. Dupin hielt den Apparat ein Stück vom Ohr entfernt, er wusste, was ihn erwartete. Der Präfekt brüllte in einem seiner wohlbekannten cholerischen Anfälle so laut, dass Dupin dessen Worte auch noch aus mehreren Metern Abstand zum Telefon tadellos verstanden hätte. Er hielt den Hörer in sicherer Entfernung und ließ den ersten Furor, in dem er unter anderem etwas wie »sofortige erneute Versetzung« verstand, abklingen. Er wartete sodann, bis er eine minimale Pause ausmachte, und fuhr mit eindrucksvoller Geschwindigkeit dazwischen:
    »Der Fall ist gelöst.«
    Länger hätte der Satz nicht sein dürfen. Seine Wirkung war durchschlagend. Einen kurzen Moment passierte gar nichts, es war totenstill.
    »Äh. Sie meinen, der Fall ist geklärt? Sie haben den Mörder?«
    Der Präfekt klang verwirrt.
    »Wir haben den Täter.«
    Wieder dauerte es, bis der Präfekt antwortete. Er musste sich nervlich vollständig neu organisieren.
    »Es ist alles geklärt?«
    »Alles geklärt.«
    »Ich kann vor die Presse treten und den Erfolg der Ermittlungen vermelden?«
    »Sie können vor die Presse treten und den Erfolg der Ermittlungen vermelden.«
    Auf diesen letzten Punkt lief am Ende sowieso immer alles hinaus. Sobald der Präfekt verkünden konnte, dass seine Ermittlungen zu einem raschen Erfolg geführt hatten, war er zufrieden. Dupin hatte es inzwischen oft genug erlebt.
    »Ich werde für heute Nachmittag«, er schien unschlüssig, »für den frühen Nachmittag eine Pressekonferenz einberufen. Kann ich das, Dupin?«
    »Das können Sie.«
    »Und wer war es?«
    Immerhin. Das interessierte ihn doch am Rande.
    »Es ist eine sehr traurige Geschichte, Monsieur le Préfet. Vor zehn Jahren haben Ihr Freund Yannig Konan und Lucas Lefort in einem Sturm Jacques Nuz, den Sohn von Pascal Nuz und Ehemann von Solenn Nuz, ertrinken lassen. Vorsätzlich. Sie haben sich …«
    »Ich will wissen, wer der Mörder ist.«
    So weit ging das Interesse also nicht.
    »Pascal Nuz. Sein Vater. Er hat den Mord an seinem Sohn gerächt. Er hat vor drei Monaten erfahren, dass es eigentlich Mord war. Nach zehn Jahren. Aber der Schmerz scheint immer noch unverändert gewesen zu sein.«
    »Wie alt ist dieser Monsieur Nuz?«
    »Siebenundachtzig.«
    »Er hat mit siebenundachtzig einen mehrfachen Mord geplant und ausgeführt? Allein?«
    Dupin zögerte keinen Moment mit der Antwort.
    »Wir haben sein vollständiges Geständnis. Und das korrespondiert mit allen Fakten, die wir kennen.«
    »Er hat ein Geständnis abgelegt? Wunderbar. Dann steht die Pressekonferenz ja. Und dieser verschwundene Arzt?«
    »Pascal Nuz hat ihn weit draußen vor den Glénan gezwungen, über Bord zu gehen. Er wird ertrunken sein.«
    »Warum hat er das gemacht?«
    »Le Menn hat damals tatenlos mitangesehen, wie Konan und Lefort Jacques Nuz haben ertrinken lassen. Um das zu verstehen …«
    »Das werden Sie mir im Detail erklären. – Natürlich brauche ich alle Details. Aber nicht
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