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Brennpunkt Nahost

Brennpunkt Nahost

Titel: Brennpunkt Nahost
Autoren: Joerg Armbruster
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der Lage beitragen will, sieht anders aus: Die Blauhelme fahren mit ihren weißen mit den Buchstaben UN gekennzeichneten Geländewagen langsam, um überhaupt beobachten zu können, halten an und sprechen mit der Bevölkerung, sammeln Informationen, inspizieren Krankenhäuser und informieren sich über die Versorgungslage der Menschen. Solche Recherchen waren bei dieser Mission nicht möglich gewesen, weil der syrische Geheimdienst die UN-Beobachter nicht aus den Augen und seinem Griff ließ und die UN-Soldaten es nur selten geschafft haben, sich von den Syrern zu lösen. Der Muhabarat, also der syrische Geheimdienst, hatte die Geschwindigkeit diktiert und so festgelegt, was die Blauhelme zu sehen bekamen und was nicht.
    Blauhelmsoldaten können nur so gut sein, wie es ihnen ihr Mandat erlaubt, das der UN-Sicherheitsrat ihnen mit auf den Weg gibt. Der Auftrag der UNSMIS-Offiziere war alles andere als robust, allein schon deswegen konnten sie nicht mehr erreichen und haben immer wieder den Zorn der Bevölkerung auf sich gezogen.
    Zorn aus Enttäuschung und Ernüchterung; denn die Syrer hatten anfangs von dieser groß angekündigten internationalen Mission Unterstützung und Schutz erwartet. Es kam aber nichts davon. Im Falle des Massakers von Hula im Mai 2012 hatten die in der Nähe des Dorfs stationierten UN-Blauhelme sogar abgewartet, bis die Angriffe vorbei waren, anstatt sofort einzugreifen. Wie hätten sie dies aber auch tun sollen? Sie selber waren unbewaffnet, die Gegenseite aber hochgerüstet. Den meisten UN-Offizieren in Syrien waren diese Schwächen ihrer Mission bewusst.
    Ein norwegischer Offizier gestand mir in einem vertraulichen Gespräch, er und viele seiner Kollegen würden sich von dem syrischen Regime missbraucht fühlen: Diese demonstrierte Kooperationsbereitschaft mit den Vereinten Nationen, während sie tatsächlich der Weltorganisation ihren Willen aufzwängen. An der Gewalt habe sich nichts geändert, einem Waffenstillstand sei man keinen Schritt nähergekommen. Das war das Fazit eines UN-Offiziers vier Monate nach Beginn der Mission in Syrien:
    »But don’t quote me! And don’t mention my name. »
    Die UNSMIS – ein wohl eher hilfloser wie auch missglückter Versuch der internationalen Gemeinschaft, die syrische Tragödie zu einem Besseren zu wenden. Aber: Nicht KofiAnnan, der ehemalige Syrienbeauftragte der UNO, ist gescheitert, sondern der Westen, Russland und all die anderen Akteure, die bei dem syrischen Desaster mitmischen: also Waffenlieferanten wie Katar oder Saudi Arabien an die Djihadisten unter den Aufständischen oder Russland und der Iran als Unterstützer des Assad-Regimes. Oder durch Nichtstun wie die USA und die europäischen Staaten. Diese »Freunde Syriens« also europäische Länder wie Deutschland, Frankreich oder Großbritannien, außerdem die meisten Länder der Arabischen Liga und die USA natürlich, diese Länder halten seit zwei Jahren regelmäßig teure, aber ergebnislose Konferenzen ab und kneifen bei unbequemen Entscheidungen. Kofi Annan zum Beispiel hatte versucht, den Iran als wichtigen Unterstützer von Assad mit zur Genfer Syrien-Konferenz am 30. Juni 2012 einzuladen. Nur wenn alle Beteiligten mit am Verhandlungstisch sitzen, kann die Konferenz vielleicht erfolgreich sein, so sein Credo. Verhindert hat diese klare und jedem einleuchtende Strategie der amerikanische Präsident Obama, der wohl in seinem Wahljahr 2012 das Mullah-Regime nicht aufwerten wollte. Die Konferenz scheiterte schließlich nicht allein an der Abwesenheit des Iran.
ALEPPO, Rebellenland, OSTERWOCHE 2013
    Am nächsten Morgen fahren wir mit unserem Kleinbus von Azaz nach Aleppo. Es ist regnerisch, trübe und kalt. Bauern arbeiten auf den Feldern, Kirschbäume treiben die ersten Blüten, zwischendurch Haine mit Olivenbäumen. Alles wirkt friedlich, der Krieg scheint weit weg zu sein. Man könnte sich von der stillen Stimmung dieses fruchtbaren Bauernlandes anstecken lassen und die barbarischen Kämpfe nicht weit von hier für einige Zeit verdrängen, wenn da nicht kleine Zelte am Rande der Felder wären. Diese Zelte – ein Beweis, wie wehrlos die Zivilisten im Norden Syriens diesem Bürgerkrieg ausgeliefert sind. In ihnen übernachten nämlich viele Bauernfamilien, weil ihre Dörfer, sobald die Dunkelheit einsetzt, immer wieder bombardiert werden.
    Außerdem die ständigen Straßenkontrollen auf dem Weg nach Aleppo. Kämpfer, meist schwarz gekleidet, mit Vollbart, die Kalaschnikow lässig über
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