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Brennendes Land

Brennendes Land

Titel: Brennendes Land
Autoren: Bruce Sterling
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tot, Oscar.«
    »Mr. President, Sie bieten mir da wirklich einen Traumjob an. Ich bin mir der Bedeutung bewusst und fühle mich geehrt durch Ihr Vertrauen. Ich glaube sogar, ich wäre der geeignete Mann dafür. Aber bevor ich mich auf eine so – wie soll ich sagen? Auf eine so utilitaristische, macchiavellistische Unternehmung einlasse, möchte ich etwas von Ihnen wissen. Ich möchte, dass Sie offen zu mir sind. Werden Sie von den Niederländern bezahlt?«
    »Die Niederländer haben mir nie etwas gezahlt.«
    »Aber es gab eine Übereinkunft, nicht wahr?«
    »Könnte man so sagen… Ich sollte Sie mal nach Colorado mitnehmen. Ich sollte Ihnen das Bauholz zeigen. Wissen Sie, seit wir amerikanische Eingeborene ins Drogen- und Casinogeschäft eingestiegen sind, haben wir kleine Gebiete dieses unseres großen Landes zurückgekauft. Überwiegend billige Gebiete, die Teile, die für kommerzielle Nutzung nicht mehr infrage kamen. Lässt man sie lange genug in Ruhe, sagen wir, sieben Generationen lang, dann erholen sie sich bisweilen wieder ein wenig. Aber es wird nie mehr so wie früher sein. Die Artenvernichtung ist unumkehrbar. Ein futuristischer Sumpf voller selbsterschaffener Monster ist wirklich nicht das Gleiche wie ein ursprüngliches Feuchtgebiet. Wir haben für billiges Geld den Büffel ausgerottet und die einheimischen Blumen, das Gras und die Urwälder, und jetzt ist das alles unwiederbringlich verloren. Und das ist schlimm. Sehr schlimm. So schlimm, dass wir es nie wieder gutmachen können. Das ist wie ein schauriges Kriegsverbrechen. Es lastet auf Amerika wie der Völkermord auf Deutschland, wie die Sklaverei auf dem Süden. Wir haben unsere Mitgeschöpfe in Spielzeuge verwandelt. Und die Niederländer haben in dieser Beziehung Recht. All die Leute, deren Häuser im Moment von Überschwemmungen bedroht sind, haben völlig Recht, moralisch, ethisch und praktisch. Ja, wir Amerikaner haben mehr Treibhausgas in die Atmosphäre entlassen als jedes andere Land der Welt. Wir sind das größte Einzelproblem. Ja, ich beabsichtige, die niederländische Politik teilweise auf dieses Land zu übertragen. Nicht alles, bloß das, was ich für vernünftig halte. Und dieser Wandel wäre niemals möglich geworden, wenn sie unser Land erobert hätten. Die einzige Möglichkeit bestand darin, die Niederlande zu erobern.«
    »Dann sind Sie also wirklich ein holländischer Agent.«
    »Oscar, das Land gehört uns. Sie haben kapituliert. Wir sind ein großes, allmählich ertrinkendes Land, das ein kleines, rasch ertrinkendes Land erobert hat. Das ist die Realität, das ist die Welt, in der wir leben.«
    »Mr. President, ich bin ganz Ihrer Meinung. Ich bin froh, dass ich die Wahrheit jetzt kenne. Es ist eine vernichtende Wahrheit, die soeben meinen ganzen Ehrgeiz zerstört hat, aber ich bin froh, dass ich jetzt Bescheid weiß. Das ist mein höchster persönlicher Wert, und den will ich nicht verraten. Ich will den Job nicht.«
    »Dann werden Sie nie wieder in dieser Stadt arbeiten, mein Sohn. Dafür werde ich sorgen.«
    »Das weiß ich, Mr. President. Ich danke Ihnen für Ihr freundliches Angebot.«
     
    Der Mississippi hatte New Orleans in zwei Hälften geteilt, was den unkonventionellen Charme der Stadt aber bloß erhöht hatte. Die gespenstische Isolierung des Französischen Viertels war durch den Umstand, dass es nun eine Insel war, noch gesteigert worden; es erinnerte jetzt an Venedig, einschließlich der Gondeln.
    Die offiziellen Paraden auf der Canal Street gingen gesittet vonstatten, doch auf der Bourbon Street, wo es zu spontanen Zusammenkünften kam, die keinen anderen Zweck verfolgten, als sich zu amüsieren, war es sehr laut.
    Greta trat von den Fensterläden weg, deren grüne Farbe abblätterte. »Es tut so gut, hier zu sein«, sagte sie.
    Oscar genoss die Mardi Gras-Feiern. Als einziger Nüchterner in einer riesigen, drängelnden Menschenmenge Betrunkener fühlte er sich wohl. Dabei sein, aber nicht ganz zugehörig. Das war das Leitmotiv seines Lebens. »Weißt du, ich hatte uns Plätze auf einem der Paradeflöße besorgen können. Wir hätten Perlen, Armreifen und Software unters Volk werfen können. Das hätte bestimmt Spaß gemacht.«
    »Noblesse oblige«, murmelte sie.
    »Das ist eine hiesige Teamgeschichte. Eine ganz, ganz alte Tradition. Die Tanzkarten sind seit Mitte des achtzehnten Jahrhundert für die Debütantinnen reserviert, aber man hat mir gesagt, ein Platz auf einem Floß wäre durchaus zu ergattern. Wenn
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