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Brennendes Land

Brennendes Land

Titel: Brennendes Land
Autoren: Bruce Sterling
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demographische Gruppe.«
    Oscar und der Präsident der Vereinigten Staaten machten einen Spaziergang im Garten des Weißen Hauses. Ebenso wie das Weiße Haus wurde auch der Rosengarten regelmäßig nach Wanzen abgesucht. Viel half es nicht, aber solange sie in Bewegung blieben, war es machbar.
    »Der Sinn für Anstand hat ihm immer schon gefehlt, Mr. President. Selbst in Louisiana weiß jeder, dass Huey zu weit gegangen ist. Man wird bis nach seinem Tod warten, bevor man eine Brücke nach ihm benennt.«
    »Was halten Sie von Washington, Oscar? Ist das jetzt eine andere Stadt, was meinen Sie?«
    »Ich muss gestehen, es stört mich, dass ausländische Truppen in der Hauptstadt der Vereinigten Staaten stationiert sind, Mr. President.«
    »In dem Punkt bin ich Ihrer Meinung. Aber das hat das Problem gelöst. Leute, die auf der Straße wohnen und ganze Stadtteile abriegeln… Das darf eine Regierung in der Hauptstadt nicht dulden. Amerikanische Truppen hätten nicht mit der notwendigen Härte durchgreifen können, um die Macht der dezentralen Netzwerkgangs zu brechen. Die Holländer aber räumen auf den Straßen auf, und wenn es zehn Jahre dauert. Die ziehen die Sache durch.«
    »Das ist jetzt eine andere Stadt, Sir. Viel ordentlicher als früher.«
    »Sie könnten hier leben, nicht wahr? Wenn das Gehalt stimmen würde? Wenn sich das Team des Weißen Hauses um Sie kümmern würde.«
    »Ja, Sir; ich glaube, ich könnte überall leben, wohin die Pflicht mich ruft.«
    »Das hier ist jedenfalls nicht Louisiana.«
    »Eigentlich mag ich Louisiana, Mr. President. Ich halte mich noch immer über die dortige Entwicklung auf dem Laufenden. Der Staat hat in vielerlei Hinsicht Leitfunktion. Ich habe in Louisiana ein paar sehr gute Erfahrungen gemacht.«
    »Tatsächlich.«
    »Wissen Sie, die Niederländer wurden so hart und entschlossen, als der Meeresspiegel stieg. Ich denke, in Louisiana tut sich was. Allmählich glaube ich, es hat eine Menge für sich, sich im Schlamm zu suhlen.«
    Der Präsident starrte ihn an. »Sie haben doch wohl nicht vor, öfters im Schlamm zu baden.«
    »Bloß hin und wieder, Sir.«
    »Bei einer unserer früheren Unterhaltungen habe ich Ihnen gesagt, wenn Sie sich an Ihre Anweisungen hielten, würde ich Ihnen einen Posten im Weißen Haus verschaffen. Seitdem hat Ihr Werdegang einige interessante Wendungen genommen, ohne dass mir indes irgendwelche Zweifel an Ihrer Befähigung gekommen wären. Diese Regierung hat mit Bigotterie – oder Skandalen – nichts am Hut, und nun, da die verfassungsmäßige Ordnung einigermaßen wiederhergestellt ist, beabsichtige ich, den Agenten- und Cowboyunsinn nach Möglichkeit zurückzuschrauben. Ich regiere dieses Land jetzt wirklich – auch wenn ich hin und wieder auf niederländische Truppen zurückgreifen muss –, und wenn ich das Oval Office verlasse, will ich ein vernünftiges, regierbares, anständiges und manierliches Land hinterlassen. Und ich glaube, Sie könnten dabei eine Rolle spielen. Möchten Sie mehr darüber hören?«
    »Sehr gern, Sir.«
    »Wie Ihnen wohl bewusst ist, gibt es in diesem Land noch immer sechzehn verdammte Parteien ! Und ich habe nicht vor, mich der Wiederwahl mit der Rückendeckung einer Würstchenpartei wie den Sozpats zu stellen. Wir brauchen eine radikale Neuordnung des Parteiengefüges und eine grundlegende politische Konsolidierung. Wir müssen die verkrusteten Strukturen aufbrechen und ein praktikables, vernünftiges, bipolares System etablieren. Dabei steht die Normalität gegen alles andere.«
    »Ich verstehe, Sir. Genau wie in der guten alten Zeit. Stehen Sie nun links oder rechts?«
    »Ich stehe unten, Oscar. Ich stehe mit beiden Beinen auf dem Boden, und ich weiß, wo ich stehe. Alle anderen können meinetwegen oben stehen. Sie sollen ruhig abheben und mit ihren Vogelhirnen verrückte Hightechideen ausbrüten, und die, welche auf den Boden fallen, ohne zu zerbrechen, die gehören mir.«
    »Mr. President, ich gratuliere Ihnen zu dieser Formulierung. Ihnen hat sich hier ein Möglichkeitshorizont eröffnet, der es Ihnen gestattet, zu tun, was Ihnen beliebt, und was Sie da sagen, klingt machbar.«
    »Meinen Sie? Gut. Das ist Ihre Rolle. Sie werden als Mittelsmann zwischen dem Weißen Haus und der gegenwärtigen Parteienstruktur fungieren. Sie werden die Radikalen und Verrückten aussondern und sie im oberen Flügel sammeln.«
    »Ich bin nicht untenorientiert, Sir?«
    »Oscar, wenn es kein Oben gibt, gibt es auch kein Unten. Es
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