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Brenda Joyce

Brenda Joyce

Titel: Brenda Joyce
Autoren: Deadly 01 - Lügen
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kichern.
    Francesca vermochte nichts Amüsantes an der Tatsache zu entdecken,
dass ihre Mutter entschlossen war, sie lieber früher als später zu verheiraten.
»Wie kannst du dich über den Reformismus lustig machen, wo es doch ringsum so
viel Armut und Ungerechtigkeit gibt?«
    Connie hielt mit dem Schnüren inne und drehte Francesca zu sich herum.
»Ich mache mich nicht über den Reformismus
lustig, Fran. So herzlos bin ich nicht. Aber du bist so ernst! Studieren,
reformieren, studieren, reformieren, studieren, reformieren ... Du bist
amüsant!«
    »Freut mich, dass ich ein solch sprudelnder Quell der Erheiterung
für dich bin«, brummte Francesca.
    »Es ist dir aber doch klar,
dass Mama einen Verdacht hegt?« Behutsam zog Connie ihrer Schwester das Kleid
in dem dunklen Rosaton über den Kopf.
    Francesca erstarrte. Sie wusste genau, wovon Connie sprach. »Aber
wie sollte sie? Ich bin doch so vorsichtig!«
    »Es liegt an deinem Tagesablauf. Warum
erzählst du ihr nicht einfach, dass du dich am Barnard College eingeschrieben
hast? Das würde dir das Leben viel leichter machen.«
    »Mama würde darauf bestehen, dass ich das Studium aufgebe«,
wandte Francesca ein, während Connie ihr das Kleid auf dem Rücken zuknöpfte.
»Aber das werde ich nicht tun. Ich werde meinen Magister machen. Davon kann
mich niemand abhalten.«
    Connie schloss den letzten Knopf und lächelte. »Und Gottes Zorn
wird furchtbar sein, wenn es jemand wagt, sich dir in den Weg zu stellen – es
sei denn, es handelt sich um Mama.«
    »Ha, ha, ha!«, entgegnete Fran sarkastisch.
Doch Connies Einwand war überaus berechtigt. Julia Van Wyck Cahill
war von einer ebensolchen Entschlossenheit wie Francesca – wenn nicht sogar
noch eine Spur entschlossener. Es kam ausgesprochen selten vor, dass sie einmal
nicht ihren Willen bekam.
    »Diese Farbe steht dir sehr gut, Fran, du
siehst einfach umwerfend aus«, sagte Connie, und die Bewunderung sprach aus ihren
blauen Augen. »Mr Wiley wird hingerissen sein«, fügte sie listig hinzu.
    Francesca stöhnte auf. »Wohlan denn, mein erbärmliches Schicksal
erwartet mich.«
    »O nein! Nicht ohne Schuhe, Rouge und
Schmuck.«
    »Aber dann würde Mr Wiley möglicherweise glauben, dass ich einen
Dachschaden habe.« Francesca grinste.
    »So leicht kommst du mir nicht davon«, erwiderte Connie fröhlich
und reichte ihrer Schwester ein Paar mit Perlen verzierte silberne Pumps.
    »Ich habe so viel zu tun, aber anstatt meine
Intelligenz dafür zu nutzen, mich einer wichtigen Aufgabe zu widmen, soll ich
den ganzen Abend lang vor den begehrtesten und langweiligsten Junggesellen der
Stadt zur Schau gestellt werden«, beschwerte sich Francesca, wobei sie jedes
einzelne Wort ernst meinte.
    »Ich verstehe dich einfach nicht«, sagte Connie und ging ins
Badezimmer. Francesca folgte ihr widerwillig. »Schließlich gibt es doch gar
keine Zeitungsschreiberinnen, wie du sehr wohl weißt. Aha, Rouge. Du hast also
doch einen eitlen Zug an dir«, erklärte Connie triumphierend.
    »Das hat Mama gekauft«, sagte Francesca,
griff nach dem kleinen Tiegel und ließ ihn in den Papierkorb fallen. »Und da es
bisher noch keine Zeitungsschreiberinnen gegeben hat, werde ich also die erste
sein, sobald ich meinen Abschluss gemacht habe – es sei denn, eine andere Frau
bahnt mir schon einmal den Weg.«
    Connie warf ihrer kleinen Schwester einen
herablassenden Blick zu. Wie der Rest der Familie weigerte sie sich zu glauben, dass es Francesca wirklich ernst mit ihren Plänen
war.
    Francesca liebte das Schreiben. Aber es war
mehr als das – sie war eine leidenschaftliche Reformistin, genau wie ihr Vater.
Mit 17 Jahren war sie dem Damenhilfskreis der Bürgervereinigungspartei
beigetreten. Gab es bessere Möglichkeiten, Reformen herbeizuführen, als
schonungslose Artikel über Armut und Korruption zu veröffentlichen? Der Reporter
Jacob Riis war ihr großes Vorbild. Francesca hatte fünf Jahre zuvor sein Buch So
lebt die andere Hälfte gleich zweimal hintereinander verschlungen. Wie die
meisten anderen Menschen, die diese schockierende Schilderung der Slums von New
York City gelesen hatten, war auch Francesca entsetzt und erschüttert zugleich
gewesen. Es kam ihr fast schon schändlich vor, dass sie selbst so viel besaß.
Sie musste einfach etwas tun, um denjenigen zu helfen, die nicht so viel Glück
hatten wie sie.
    Connie fischte das Rouge wieder aus dem
Papierkorb und stellte es auf den Waschbeckenrand. Dann steckte sie ihrer
Schwester die Haare
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