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Brenda Joyce

Brenda Joyce

Titel: Brenda Joyce
Autoren: Deadly 01 - Lügen
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Abend vorzubereiten. In diesem Augenblick
erspähte Julia ihre jüngere Tochter, und die Blicke der beiden Frauen trafen
sich.
    Francesca wusste, dass der Blick ihrer Mutter
einem Befehl gleichkam, und es blieb ihr keine andere Wahl, als sich einen Weg
durch die wachsende Gästeschar zu ihr zu bahnen. Als sie die Halle
durchquerte, nickte sie freundlich den Gästen zu, an denen sie vorüberkam.
    »Komm her, Francesca. Schätzchen, ich möchte
dir jemanden vorstellen«, begrüßte Julia ihre Tochter lächelnd. Sie war eine
schöne Frau Anfang vierzig, von höchst angesehener niederländischer Herkunft
und eine der führenden Damen der Gesellschaft. Ihr Vater hatte sein Vermögen in
der Bankwelt gemacht, ihr Großvater war Schiffsbauer gewesen und hatte dem
Stadtrat angehört. Doch Julia war ebenso stolz auf ihr Erbe mütterlicherseits:
Ihre Mutter war eine Südstaatenschönheit aus Georgia, die ihre Wurzeln bis zur
französischen Aristokratie vor der Revolution zurückverfolgen konnte.
    Julia Van Wyck Cahill kannte jeden, der von
blauem Blut, reich oder mächtig war. Mit anderen Worten, sie kannte jeden, der
wichtig war, eine Tatsache, die Francesca zuweilen entmutigte. Jetzt ergriff
ihre Mutter sie am Arm und weigerte sich, sie wieder loszulassen, ganz so, als
wisse sie nur zu gut, dass Francesca dann sofort Reißaus nehmen würde.
    »Hallo, Mama.« Francesca küsste Julia auf die
Wange und hielt dann pflichtbewusst dem jungen Mann ihre Hand hin, der wohl Mr
Wiley sein musste. Innerlich wurde ihr das Herz noch schwerer, und sie
erschauerte unwillkürlich.
    »Mr Wiley hat ausdrücklich darum gebeten, dich
kennen lernen zu dürfen, Francesca«, sagte ihre Mutter mit einer gewissen
Schärfe in der Stimme, die ihr Lächeln Lügen strafte. »Er ist neulich abends
bei Delmonico's auf dich aufmerksam geworden, und ich habe dich natürlich in
den höchsten Tönen gelobt«, fuhr sie an den dünnen jungen Mann gewandt fort,
dessen hervorstechendes Merkmal darin bestand, dass er sehr, sehr groß war.
    Francesca zwang sich zu einem Lächeln, und Wiley strahlte und
errötete gleich darauf heftig.
    »Meine Tochter ist eine wahre Heilige, liebster Mr Wiley. Sie
werden unter den Anwesenden heute Abend keine Frau mit einem größeren Herzen finden. Sonntags teilt sie Suppe an die
Armen und Mittellosen aus, die im Elend leben, jede zweite Woche – wenn nicht
öfter! – besucht sie die Waisenkinder im St. Mary's-Heim, und neulich erst war
sie im städtischen Krankenhaus unten auf der York Avenue, um den Kranken dort
Blumen zu bringen.« Julia strahlte. »Mr Wileys Familie ist im Bankgeschäft
tätig, Schätzchen; sie haben eine Firma auf der Wall Street. Mr Wiley arbeitet
für seinen Vater.«
    Francesca starrte ihre Mutter ungläubig an.
    »Wiley und Söhne«, erklärte Mr Wiley eifrig. Er hatte hellbraunes
Haar und strahlend blaue Augen. Noch immer zierte ein leuchtender Rosaton
seine Wangen.
    Francesca hörte gar nicht richtig hin, was er sagte. Doch Julia
lächelte ihre Tochter weiterhin an, obwohl ihr bewusst sein musste, dass
Francesca mit jeder Sekunde, die verstrich, missmutiger wurde. »Ich glaube, Mr
Wiley würde dich gern am Montag zum Mittagessen ausführen, Schätzchen, wenn du
in die Innenstadt kommen würdest.«
    Francesca war so wütend, dass sie kein Wort
herausbrachte. »O ja!«, entfuhr es Wiley jetzt, und seine Wangen nahmen einen
noch dunkleren Rotton an. »Bitte kommen Sie doch in die Innenstadt. Montag
würde es ausgezeichnet passen.«
    »Dann wäre der Montag also ausgemacht«, sagte Julia und lächelte
die beiden jungen Leute an.
    In diesem Augenblick fand Francesca ihre
Stimme wieder. Ihre Prüfung begann um elf Uhr am Montagmorgen! »Montag? Ich
fürchte, ich ...«
    Julia brachte sie mit einem einzigen Blick
zum Schweigen.
    »Schätzchen, du kannst doch eine solche Einladung unmöglich
ausschlagen. Und reserviere heute Abend einen Tanz für Mr Wiley«, fügte sie
hinzu und küsste ihre Tochter auf die Wange. Dann entschuldigte sie sich und
wandte sich ab, um andere Gäste zu begrüßen.
    Unvermittelt stand Francesca mit Mr Wiley allein da. Sie hatte das
Gefühl, als sei ihr soeben der Teppich unter den Füßen weggezogen worden und
sie wäre auf Ellenbogen und Knien auf dem harten Marmorboden gelandet. Natürlich
konnte sie unter keinen Umständen zu dieser Verabredung gehen. Nicht am
Montag. Ihre Mutter hatte sie in eine schrecklich peinliche Lage gebracht.
    Es war nicht das erste Mal, dass Julia
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