Breeds: Tabers Versuchung (German Edition)
zulief und hineinkletterte. Fünfzehn Monate hatte er gewartet, unsicher und nicht willens, irgendeiner Frau sein Leben aufzuzwingen, aber vor allem nicht der einen, die er so lange zu schützen versucht hatte.
»Fertig«, schrie er, als Tanner sich im Cockpit umdrehte und ihn ansah.
Er setzte den Kopfhörer auf, schnallte sich an und wappnete sich, als sie abhoben. Jede Sekunde, die es dauerte, um zu ihr zu kommen, dauerte ihm jetzt zu lang. Ein Lächeln trat auf seine Lippen. Er hatte ihre Wünsche während der letzten Monate respektiert, weil ihm der instinktive Paarungsprozess nicht bewusst gewesen war. Jetzt war das Tier in ihm frei, sich das zu holen, was ihm gehörte. Sie konnte toben und ihn anschreien, sie konnte ihn hassen, bis die Hölle zufror. Aber sie gehörte ihm. Und bald – sehr bald – würde sie feststellen, dass es keine Wahl mehr gab … für keinen von ihnen.
4
Das hier passierte nicht wirklich, nicht ihr. Roni versuchte sich davon zu überzeugen, dass die wilde Flucht in die Berge hinter der Stadt nur ein Albtraum war. Sie würde bald aufwachen. Natürlich würde sie das. Es war nur der Stress. Man erfuhr schließlich nicht jeden Tag, dass man als Gefährtin einer neuen Spezies von Menschen gezeichnet war, von deren Existenz bisher niemand etwas geahnt hatte.
»Geht es dir gut?« John blickte sie besorgt vom Fahrersitz des Pannenwagens aus an. Seine roten Augenbrauen waren über den hellblauen Augen zusammengezogen.
Roni umklammerte den Haltegriff über ihr fester, als der Wagen sich in eine weitere Kurve legte. Ganz sicher würde John bald über eine dieser gefährlichen Klippen rasen und sie beide umbringen. Er fuhr wie ein Verrückter. Ihr Leben wurde vielleicht von Minute zu Minute schlimmer, aber das bedeutete nicht, dass sie bald sterben wollte.
»Fährst du nicht ein bisschen zu schnell?«, fragte sie und versuchte, trotz ihres wild klopfenden Herzens ruhig zu bleiben.
»Wir sind fast da. Ich möchte sichergehen, dass man uns nicht folgt.« Er bog schnell in eine weitere Seitenstraße ein und rumpelte über einen unebenen Kiesweg, der durch ein dichtes Waldstück führte. »Ich fahre zu meiner Jagdhütte. Zum Glück liegt sie hoch genug, dass die Handys funktionieren, und Taber wird keine Probleme haben, dort zu landen.«
Sie blinzelte ihn verwirrt an. »Wovon sprichst du?«
Taber würde nicht kommen, um sie zu holen. Er würde sie nicht retten. War John das denn nicht bewusst? Hatten sie nicht alle gemerkt, dass er sie schon vor Monaten fallen gelassen hatte?
Er seufzte abgrundtief. »Das war eine Liveübertragung, Roni. Die Welt weiß es jetzt, und ich bin sicher, dass Taber schon auf dem Weg ist. Sobald er in der Nähe ist, wird er mich anrufen. Taber weiß es, und die bösen Jungs wissen es auch. Du bist hier nicht mehr sicher.«
Sie schluckte, weil ihre Kehle eng wurde, und kämpfte gegen die aufsteigende Übelkeit. Sie hatte Berichte über die »bösen Jungs« gesehen. Eigentlich waren sie Monster.
Es fiel ihr schwer, nicht die Fassung zu verlieren. Gott möge ihr beistehen, sie hatte mehr als einen Bericht in den Nachrichten gesehen über das Schicksal der armen Seelen, die zur Zielscheibe des Councils geworden waren. Es war der schlimmste Albtraum, den sie sich vorstellen konnte.
»Mein Gott«, flüsterte sie erschüttert, »ich bin sicher, dass ich bald aufwache. Aber Taber kommt nicht, John. Es hat ihn nicht interessiert, als er mir das Mal verpasst hat, und jetzt wird es ihn auch nicht interessieren.«
Taber hatte zehn Jahre damit verbracht, sie aus irgendwelchen Schwierigkeiten herauszuholen. Er war an seine Grenzen gestoßen, und jetzt konnte sie nicht mehr darauf bauen, dass er ihr bei dieser Sache half.
John schnaubte und warf ihr einen ungläubigen Blick zu. »Träum weiter, Roni, und wenn du Taber triffst, dann vertrau ihm auf jeden Fall dieses kleine Geheimnis an.«
Sie schüttelte den Kopf und fing an zu beten. Es blieben ihr wirklich nur noch sehr wenige Möglichkeiten, dieses sehr spezielle Problem selbst zu lösen.
Roni schloss die Augen und holte tief Luft, als das schrille Klingeln des Handys ertönte.
»Ja?«, bellte John in das kleine Telefon. Er schwieg für einen langen Moment.
»Bin auf dem Weg dorthin. Wann kommt ihr an?«
Roni wünschte, sie könnte sich selbst wachrütteln. Sie hörte dem einseitigen Gespräch nur mit einem Ohr zu und versuchte die Tatsache zu verdrängen, dass die Vergangenheit sie gleich einholen würde. Genau das
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