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Breed: Roman (German Edition)

Breed: Roman (German Edition)

Titel: Breed: Roman (German Edition)
Autoren: Chase Novak
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Hotel verlassen hat, hat er sich den Korkenzieher in die Gesäßtasche gesteckt, und obwohl das Ding den ganzen Tag da drin war, hat er es völlig vergessen. Der Detektor reagiert mit hektischem Klicken. Während der Beamte Adam mit einer Geste anweist, den Korkenzieher herauszuholen, wird Adams Rucksack geröntgt, und der andere Beamte entdeckt, dass zwischen den Socken und T-Shirts zwei Messer stecken.
    Adam ist feuerrot vor Scham und Angst. Während der eine Beamte ihn am Arm festhält und der andere den Rucksack leert, fragt er sich, ob man ihn jetzt wohl abführen, ausfragen, einsperren wird.
    Auch das Gesicht von Alice ist schamrot. Am Vorhandensein dieser Messer ist sie genauso schuld wie ihr Bruder …
    »Mom?«, sagt Adam.
    Leslies Augen sind voller Tränen. »Ach, Adam«, sagt sie mit einem kaum hörbaren Flüstern. »Ach, Schatz, mein armer Schatz.«
    Die beiden Sicherheitsbeamten haben kein Interesse daran, Adam festzunehmen. Sie konfiszieren einfach den Korkenzieher und die beiden Messer, bevor sie die drei weiterschicken.
    »Wir müssen rennen«, sagt Leslie, und die drei fassen sich an den Händen und laufen durch den Flur zu Gate 11 , wo eine Angestellte der Fluggesellschaft die Bordkarten überprüft und ihnen auf Englisch mitteilt, ihre Maschine werde gleich abfliegen. »Beeilen Sie sich, bitte, Sie sind die Letzten«, sagt sie.
    Sie gehen durch die Schranke, durch den Fußgängertunnel und eine fahrbare Metalltreppe hinunter. Inzwischen weht ein heftiger Wind, obwohl die Nacht klarer geworden ist. Winzige silbrige Wolkenfetzen jagen am Vollmond vorüber, der unnatürlich nah zu sein scheint, sodass seine Berge und Krater deutlich sichtbar sind. Leslie, Adam und Alice besteigen als Letzte den Bus, und sobald sie drin sind, beginnt der Fahrer die Reise übers Rollfeld zu dem kleinen Jet, der sie erwartet. Unterwegs kommen sie an drei Maschinen in den Farben von Swissair, Lufthansa und Federal Express vorbei, alles Boeing 757 , deren Triebwerke gerade vor dem Start warm laufen.
    Im Bus sind noch Sitze frei, aber die drei bleiben stehen und halten sich gemeinsam an einer Stange fest, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Adam starrt auf die Finger seiner Mutter, die sich um das kalte, glänzende Metall schließen. Sie spürt die Intensität seines Blicks und weiß, ohne hinzuschauen, dass er die winzigen Blutspuren des Doktors sieht, die sie nicht wegbekommen hat.
    »Ist schon okay«, murmelt sie ihm zu.
    »Ich hab dich lieb, Mom«, sagt er.
    »Ich dich auch, Adam. Ich hab euch beide lieb.«
    »Wir schaffen es«, sagt Alice.
    »Bestimmt schafft ihr es, das weiß ich«, sagt Leslie.
    »Sie meint uns alle«, sagt Adam.
    Leslie betrachtet die anderen Passagiere im Bus. Geschäftsleute, Studenten, eine nachdenkliche junge Frau mit kurzen Haaren, die einen Waldhornkoffer auf dem Schoß hält. Zwei Nonnen sitzen nebeneinander und unterhalten sich aufgeregt, und einen Moment lang ist Leslie sicher, dass es sich um dieselben Frauen handelt, die Alex und sie vor zehn Jahren auf dem Rückflug von Ljubljana gesehen haben. Aber wie wäre das möglich? Die beiden sind jung, und die zwei Nonnen aus der Vergangenheit waren alt und wären nun sehr alt, wenn nicht gar tot. Ja, auch Nonnen sterben, und die Vorstellung sterbender Nonnen erfüllt Leslie mit einer unaussprechlichen Traurigkeit. Alle Menschen sterben, Lehrer, Ehemänner, alle.
    »Sitzen wir zusammen?«, fragt Alice.
    Leslie sieht sie an.
    »Im Flugzeug«, sagt Alice. »Das steht auf unseren Tickets.«
    »Ich glaube, schon«, sagt Leslie. Sie zieht die Bordkarten aus ihrer Handtasche und reicht sie Alice.
    »Du machst dir so viel Sorgen«, sagt Leslie. »Sorgen um wirklich alles.«
    »Eigentlich nicht«, sagt Alice nervös.
    »Mom«, sagt Adam. Er schaut nach draußen, und als Leslie seinem Blick folgt, sieht sie einen Polizeiwagen lautlos, aber mit hektisch blinkendem Blaulicht über das Rollfeld rasen.
    »Hört zu«, sagt Leslie.
    Die beiden starren sie an. Sie haben zu viel Angst, um etwas zu erwidern.
    »Kinder neigen dazu, sich Vorwürfe für Dinge zu machen, die gar nicht ihre Schuld sind. Könnt ihr euch das merken? Ihr habt nie irgendetwas falsch gemacht. Ihr wart immer wirklich gute Kinder, ich meine, wirklich, wirklich gute. Dass alles so schrecklich geworden ist, daran seid ihr überhaupt nicht schuld. Versteht ihr mich? Ihr seid nicht daran schuld. Überhaupt nicht.«
    »Mom …« Adams Stimme bricht.
    »Wessen Schuld es war?«, fragt Leslie.
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