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Brechreizend - Die fiesesten Reiseziele der Welt

Brechreizend - Die fiesesten Reiseziele der Welt

Titel: Brechreizend - Die fiesesten Reiseziele der Welt
Autoren: Catherine Price
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Nachdem ich mir in Gesellschaft eines venezolanischen Paares eine Tasse Pulverkaffee einverleibt hatte, raffte ich mich zu einer weiteren Geh-Meditation auf und folgte den anderen Teilnehmern in den Gemeinschaftsraum, wo uns eine buddhistische Ess-Zeremonie erwartete. Der Prozess des Hinsetzens, Servierens und Essens war choreografisch festgelegt und umfasste auch die Schlussinspektion des obersten Mönchs, der überprüfen sollte, ob unsere Schüsseln sauber waren. »Sie werden ihn doch nicht enttäuschen wollen«, sagte unsere Betreuerin. »Das käme nicht gut an.«
    Sie erklärte uns, wie die Zeremonie ablaufen würde und insistierte auf der abschließenden Reinigung der Schüssel. Wir waren gehalten, die Schüssel zum Schluss mit einem Stückeingelegtem Rettich auszuwischen. Da wurde eine junge Kanadierin hellhörig.
    »Entschuldigen Sie bitte«, sagte sie, »aber wie soll das Auswischen mit einem Stück Rettich die Schüssel säubern? Was ist mit Keimen und Bakterien?«
    »Die Schüsseln werden mit fast kochendem Wasser gefüllt«, wich die zuständige Dame der Frage aus. »Wenn Sie den Rettich benutzen, ist die Schüssel bereits sehr sauber.«
    »Dann handelt es sich also um einen hygienischen Rettich?«, fragte die Kanadierin.
    »Richtig«, lautete die Antwort. »Es ist ein hygienischer Rettich.«
    Von diesem Augenblick an ging es bergab. Erschöpft und reizbar verweigerte sich einer nach dem anderen dem Mönchsleben. Wenn das Kultivieren von Würdigung eines der Merkmale des Buddhismus ist, so fragte ich, warum müssen wir dann eine so aufwendige Zeremonie wie diese Mahlzeit über uns ergehen lassen? Das venezolanische Paar ging noch einen Schritt weiter: Die Leute verließen das Kloster.
    Meine Freundin und ich waren leider nicht so mutig. Wir zählten die Stunden, bis wir schließlich nach Seoul zurückkehrten und uns dort eine ordentliche Flasche Wein gönnten.
    Einige Tage später erhielten wir eine E-Mail von unserer Betreuerin bei Templestay . Sie lud die Teilnehmer des Wochenendes zu einem Workshop ein, sich durch »dreitausend Verbeugungen inspirieren« zu lassen. Allein die Vorstellung jagte mir einen Schauder über den Rücken, doch sie erinnerte mich daran, wie schwierig ein Leben als Mönch vermutlich ist. Und darin, so hätte unsere Betreuerin sicher gesagt, lag schließlich der Sinn des Ganzen.

14. Pamplona aus der Perspektive des Stiers

    D ein Tag beginnt um Punkt acht Uhr morgens. Du stehst in der schwarzen Dunkelheit deines gerade bezogenen, fremden Stalls und hörst Leute, die singen. »A San Fermín pedimos, por ser nuestro patrón, nos guíe en el encierro dándonos su bendición«, skandieren sie. Sie bitten einen Typen namens Sankt Fermín, sie bei etwas zu segnen, was sie »encierro« nennen.
    Was mag ein ›encierro‹ wohl sein?, fragst du dich schlaftrunken. Du bist noch müde von der langen Reise am Vortag, als man dich von deinem Hof herbrachte. Ehe du jedoch eine Antwort finden kannst, ertönt ein ohrenbetäubender Knall aus einem Gewehr, und jemand drückt dir einen Elektroschocker auf die Haut, der dich von tiefster Dunkelheit in blendendes Sonnenlicht reißt. Verwirrt und ängstlich stolperst du über deine eigenen Hufe und verstehst nicht, was um dich herum vorgeht. Als sich deine Augen endlich an die Helligkeit gewöhnt haben, siehst du eine Menge Leute, weiß gekleidet, mit albernen roten Tüchern um den Hals, die anfangen … dich mit zusammengerollten Zeitungen zu schlagen. Was zum Teufel soll das? Und warum rennen all die anderen Stiere so schnell?
    Ich kann es dir verraten: Weil diese Irren mit den Zeitungen uns die Straße hinunterjagen. Sie brüllen und schreien und hauen dich mit ihren Papierrollen. Kann das wahr sein?, fragst du dich. Du stürmst um eine Häuserecke, deine Hufe gleitenauf dem Kopfsteinpflaster aus. Versuchen diese Leute tatsächlich, sich mit einem Stier zu messen?
    Du ärgerst dich so sehr, dass du sie am liebsten auf die Hörner nehmen würdest, doch dazu bleibt keine Zeit. Du erreichst einen runden Platz. Um dich herum stehen jetzt andere Menschen. Sie zwingen dich in eine Umzäunung und werfen dir Futter hin. Es schmeckt gut, macht aber sehr müde. So müde, wie du zuletzt nach jenem Frühstück warst, als sie dich von deinem Hof fortholten. Du spielst mit dem Gedanken, dich hinzulegen und ein Nickerchen zu halten …

    Plötzlich ist Abend. Du wirst erneut auf diesen runden Platz gestoßen. Tausende Leute starren dich an. Dann kommen ein
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