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Brautflug

Brautflug

Titel: Brautflug
Autoren: Marieke Pol
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Entschiedenheit, sieht die winzig kleinen Bernsteinsprenkel in den grünen Augen aufblitzen. »Du bist boshaft«, scherzt sie, »mit meinem Haar, so unordentlich, wie es ist? Und meinem Make-up, mit diesen Augen?«
    »Ich werde es ja nicht gleich veröffentlichen«, sagt Hannah und drückt ab. »Ja, das war gut.« Sie zeigt Esther das kleine Bild auf dem Display.
    »Viel zu nah!«, ruft Esther, »da erkennt man ja jede Falte!«
    »Ich finde es hübsch.«
    »Oh dear«, seufzt Esther.
    »Nein, wirklich, es ist hübsch.«
    »Na komm, ich sitze viel zu weit nach vorn gelehnt, ich muss mich etwas zurücklehnen.«
    Dieses Mal nimmt Esther sorgsam die richtige Position ein. Hannah lacht, ein kurzes, heiseres Lachen, und drückt ab. Esther kann sich nicht erinnern, jemals so glücklich gewesen zu sein, so befreit und glücklich. Wenn es nicht so sentimental wäre und zudem auch schade um ihr teures Make-up, dann würde sie jetzt anfangen zu heulen. Hannah hält ihre Hand schräg vor das Display, damit die tief stehende Sonne nicht die Sicht auf das Bild behindert. Das Foto ist noch schlimmer als das erste.
    »Meine Güte!«
    »Du bist eine Perfektionistin, kann das sein?«
    Esther nimmt die Kamera und studiert das Foto aus der Nähe.
    »Oh dear, dear, dear«, seufzt sie.
    »Gut«, sagt Hannah, »dann noch
ein
einziges Mal. Deine hübscheste Pose, bitte.«
    Esther zieht die dunkelrote Bluse glatt, faltet die Hände unter den Brüsten, dreht sich ein Stück zur Seite, sodass sie fast im Profil dasitzt, und blickt dann in die Kamera. Hannah drückt ab. »Besser«, sagt sie, »viel besser, dieses behalte ich.« Sie zeigt Esther das Foto.
    »Oh, du bist unmöglich!«
    Hannah betrachtet es noch einmal. »Es ist wirklich viel besser«, sagt sie, »das musst du zugeben.«
    »Ich weiß nicht so recht«, erwidert Esther und fängt an zu lachen.
     
    Die Sonnenstrahlen reichen nicht mehr bis auf die Terrasse. Das Personal räumt um sie herum die Tische ab. Zeit zum Aufbruch, findet Bob. Er wird sie alle in dem großen Mietwagen zum Hotel fahren. Sie verabreden, nach kurzem Ausruhen zu viert im Speisesaal des Hotels zu Abend zu essen. Ada denkt an den vergangenen Abend auf ihrem Hotelzimmer und fühlt sich nun wie eine Weltenbummlerin. Das kann auch am Wein liegen. Ein bisschen unsicher schieben die drei Frauen ihre Stühle zurück und stehen auf.
    »Ich liebe die Sonne einfach«, sagt Ada, »hier habe ich auch viel weniger Beschwerden mit meinen Gelenken.« Esther drückt ihre Zigarette in dem Aschenbecher aus, den sie allein gefüllt hat, und eine tiefe Denkfalte erscheint auf ihrer Stirn.
    »The wettest place on earth, so wird Greymouth genannt, oder? Warum wohnst du immer noch dort?«
    »Weißt du«, erklärt Ada, während sie ihren Arm in den falschen Ärmel ihrer Jacke steckt, »ein Häuschen in Ons Dorp würde mir schon gefallen, kennst du das? In Auckland.« Sie zitiert einen Satz, den sie immer im Kopf behalten hat: »In Auckland blühen die Rosen das ganze Jahr über.«
    Esther weiß, was Ada meint: ein Dorf für pensionierte Holländer, nichts für sie. Sie schlurft, den Arm um Ada gelegt, über den Kies. Vor ihnen wird Marjorie von ihrem Sohn gestützt. »Ja«, sagt Ada, »gemütlich in der Sonne sitzen, alle zusammen. Und Niederländisch reden.«
    »Dann mach es doch, los geht’s.«
    »Derk will nicht.«
    »Verstehe«, sagt Esther, denn sie erinnert sich an die Geschichten, die Frank ihr damals erzählt hat.
     
    Die Ladentür knarrt beim Öffnen, und eine Glocke bimmelt. Alles ist hier aus Holz. Ada erkennt den Raum sofort wieder. Obwohl die Mauern eingerissen sind, sieht sie an der Position der Fenster, wo ihr Bett gestanden hat und wo das Sofa. Vorsichtig geht sie ein paar Schritte in den Raum hinein und sieht sich um. An den Wänden stehen Regale, in denen Weinflaschen und andere Waren liegen. Dann sieht sie ihm direkt in die Augen. Ein ähnliches Foto wie das, was er ihr damals geschickt hat, hängt hier in Posterformat hinter Glas. Der Begründer unserer Firma, erklärt das Mädchen, das sie hereingelassen hat. Ada nickt, doch sie hört gar nicht zu. Sie steht in der Mitte des Zimmers, in dem gestreiften Kleid. Frank lehnt an den Kisten und sieht sie unter seiner Hutkrempe hervor andächtig an. Ada, sagt er, du weißt selbst ganz genau, was du willst. Hör auf dich, das ist wichtig für dich.
     
    Auf dem Parkplatz warten Marjorie, Esther und Bob, der seine Tochter sucht, die irgendwo zwischen den Silos
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