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Bratt, Berte - 01 - Das Herz auf dem rechten Fleck

Bratt, Berte - 01 - Das Herz auf dem rechten Fleck

Titel: Bratt, Berte - 01 - Das Herz auf dem rechten Fleck
Autoren: Berte Bratt
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Asbjöm bemerkt, daß das Tau gerissen war, war er nun außer sich vor Angst.
    Ich knipste. Kein Licht. Wieder versuchte ich es. Aber nein, nichts. Beim Sturz war die Birne zerbrochen.
    Ich legte die Hände an den Mund und schrie aus allen Kräften: „Ich bin O. K.! Jetzt gehe ich!“
    Aber der Wasserfall übertönte meine Worte.
    So saß ich in der Dunkelheit, löste meine Stiefel vom Tau und zog sie rasch an, nahm Kurs auf die Lichter von Villeverte, versuchte auszurechnen, wo ich auf den Pfad treffen könnte, und trottete durch die Nacht davon.
    Der kleine Junge in der Kabine würde wohl meine Strickjacke bekommen, und ich wanderte nun in Asbjörns Anorak los - im blauen Anorak mit dem Webfehler.
    Was bei diesem Marsch in meinem Kopf vorging, ist nicht zu schildern. Diese merkwürdige Tour in der dunklen Nacht, in der ich schrecklich schnell und doch gleichzeitig vorsichtig gehen mußte. Es durfte mir nichts zustoßen, denn von mir hing es jetzt ab, ob die vier dort oben Hilfe bekommen würden - diese vier Menschen, die in der eiskalten, dunklen Nacht in einer kleinen zugigen Kabine hingen. Nicht eine Hand konnten sie jetzt vor Augen sehen - und wie mußten sie in dem kalten Hauch des Wasserfalls frieren!
    Nun hatte ich den festen Pfad unter den Füßen und konnte schnell gehen. Dann wurde der Pfad zum Weg, und da wagte ich zu laufen. Immer schneller und schneller - fast so schnell wie in der Schule, damals, als ich den 100-Meter-Lauf gewann.
    In Franzens Haus war alles still. Ich hörte nur ein Schnaufen und einen Stoß aus dem Maultierstall.
    Mit aller Kraft hämmerte ich gegen die Tür, lief dann um das Haus herum und klopfte auch gegen das Fenster des Schlafzimmers.
    „Was zum Teufel.“ Zerzauste Haare und ein Gesicht tauchten am Fenster auf.
    „Franz, ich bin es - Bernadette. Du mußt sofort Maro wecken! Vier Menschen sitzen in der Kabine Nummer sechs, sie hängt in der Nähe vom Wasserfall - sie frieren zu Tode.“
    „Um Gottes willen, wir kommen, Bernadette!“
    Einen Augenblick später war Maro da, die bloßen Füße in den Schuhen und auch sonst nur notdürftig bekleidet. Ich erklärte ihm das Wichtigste. Die Hauptsache hatte er auf jeden Fall begriffen: daß Kabine Nummer sechs herunter mußte, und das so schnell wie möglich!
    Sein Schlüsselbund klirrte, während wir zur Station liefen, und mir klang dieses Klirren wie die schönste Musik. Die Tür aufgerissen - das Licht eingeschaltet - und einen Augenblick später sang es schon in den Stahltrossen - welch wunderbarer gesegneter Laut!
    Da kam Nummer vier, fuhr herum und wieder hinauf - es kam Nummer fünf - ich starrte hinauf in die Finsternis und starrte, bis mir die Augen weh taten. Ja, da tauchte etwas Dunkles auf, nahm Gestalt an - es war Kabine Nummer sechs!
    Maro hielt die Maschine an, als die Kabine waagrecht in der Höhe mit dem Boden hing. Mit zitternden Händen schloß er auf.
    Der alte Mann mußte gestützt und es mußte ihm hinausgeholfen werden. Asbjörn hielt das Kind und reichte es der Mutter. Und dann fanden seine Augen die meinen. „Bernadette. Bernadette.“
    Da lag ich schon in seinen Armen, fest, warm und sicher in seinen Armen.
    Aber was war das - was war mit Asbjörn - ein so seltsamer Laut - es war doch wohl nicht etwa, daß. Asbjörn weinte doch nicht? „Bernadette - meine geliebte. kleine Geliebte.“
    Kabine Nummer sechs glitt nach oben in die Nacht davon, ruhig und sicher. Franz und ich saßen darin. Asbjörn hatte den alten Mann ins Hotel begleiten müssen, der Arme hatte sich verzweifelt an Asbjörn angeklammert.
    Franz war hinter uns hergerannt; er wollte hinauf und feststellen, was mit seinem Vater los war.
    „Ich verstehe gar nichts“, erklärte Maro. „Großvater rief mich an und sagte durch, er schicke Kabine drei hinunter und mache dann Schluß für heute. Kabine drei kam, ich ließ die Leute aussteigen, alles war in Ordnung - und seitdem habe ich nicht einen Tön mehr gehört!“
    „Ich begleite dich, Franz“, sagte ich. „Vielleicht brauchst du Hilfe. Armer Carlo, ich habe solche Angst um ihn!“
    So fuhren Franz und ich mitten in der dunklen Nacht hinauf. Die Kabine war nicht abgeschlossen, wir konnten ohne Hilfe aussteigen.
    Auf dem Fußboden der Station lag Carlo - bleich und regungslos. „Ach, Franz!“
    Wir beugten uns über den Alten. Doch - sein Herz schlug noch, und er atmete. Er bemühte sich zu sprechen, aber nur ein unverständliches Murmeln war zu vernehmen; er vermochte die Lippen nicht
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