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Bratt, Berte - 01 - Das Herz auf dem rechten Fleck

Bratt, Berte - 01 - Das Herz auf dem rechten Fleck

Titel: Bratt, Berte - 01 - Das Herz auf dem rechten Fleck
Autoren: Berte Bratt
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Hustenanfall bekommen und hatte sich so lange ausruhen müssen. Jetzt war er von Herzen froh, daß er die Bahn noch erreicht hatte.
    Uff, wie kalt es war! Und so dunkel. Diese Augustnächte in Villeverte - wie gut ich sie kenne! Im Handumdrehen ist der Tag zu Ende, die Dunkelheit kriecht aus allen Winkeln hervor und legt sich wie eine Decke über alles. Bevor man sich umsieht, ist es bereits Nacht. Und zusammen mit der Nacht kommt die Kälte. Wieder sah ich die blaugefrorenen Knie des Jungen an. Daß diese Touristen es auch niemals lernen konnten, sich richtig anzuziehen, wenn sie in die Berge hinaufzogen!
    Nun hörten wir das Dröhnen des Wasserfalls unter uns, es wurde immer stärker. Bald würde es so stark sein, daß wir kaum noch unsere eigene Stimme hören konnten. Plötzlich blieb die Kabine stehen.
    Nanu? Hier anzuhalten? Wahrscheinlich aber war Nummer drei unten angelangt, vielleicht waren alte Leute drin, und Maro hielt die Maschinen an, um ihnen Zeit zum Aussteigen zu geben.
    Aber nein. Wir blieben hängen, der Wasserfall dröhnte uns in den Ohren.
    „Das ist merkwürdig“, sagte Asbjörn. „Carlo kann doch nicht vergessen haben, unten Bescheid zu geben!“
    „Auf keinen Fall, ich habe ihn doch noch zum Telefon gehen sehen.“
    Ich horchte. Nur das Brausen des Wasserfalls. Kein singender Laut in den Drahtseilen.
    Langsam wurde es mir entsetzlich klar: Maro hatte für heute aufgehört. Die Kabine Nummer drei war unten angekommen - die Nummern eins und zwei, vier, fünf und sechs hingen am Drahtseil und würden bis morgen früh hängen bleiben - und wir saßen in der Nummer sechs.
    Wie hatte das geschehen können? Carlo war doch zum Telefon gegangen - Carlo würde uns um nichts in der Welt die ganze Nacht dort hängenlassen - was war wirklich geschehen?
    „Was ist los?“ fragte die junge Mutter.
    „Ich weiß es nicht“, antwortete ich. „Vielleicht ein Versagen der Maschinerie. Aber man wird uns schon zu Hilfe kommen. Selbst wenn man uns durch Handantrieb hinunterholen muß!“
    Minuten verstrichen. Eine halbe Stunde verging. Wir froren so, daß unsere Zähne aufeinanderschlugen.
    „Asbjörn“, sagte ich auf norwegisch, „verstehst du, was geschehen sein kann?“
    „Ja, wahrscheinlich ist es Carlo nicht gelungen, unten Bescheid zu geben.“
    „Carlo fühlte sich heute morgen nicht wohl. Angenommen, er ist bewußtlos geworden oder hat einen Schlaganfall bekommen, bevor es ihm zu telefonieren gelang.?“
    „Du liebe Zeit!“
    „Sag nur den anderen nichts davon. Aber was in aller Welt sollen wir jetzt tun?“
    „Wie hoch sind wir denn über dem Boden?“
    „Auf jeden Fall zu hoch, um hinunterzuspringen. Warte mal, ich kenne doch diese Strecke wie meine eigene Tasche. Wir sind hier ganz nah vom Fall, da sind wir also nicht sehr hoch, gerade über den Baumwipfeln - höchstens zehn bis zwölf Meter. Ach, Asbjörn.“ „Was ist?“
    „Paß auf! Wie viele Riemen, Gürtel und dergleichen können wir zusammenbekommen? Könnten wir ein etwa zwölf Meter langes Tau knüpfen, das sechsundvierzig Kilo aushält?“
    „Sechsundvierzig Kilo?“ fragte Asbjörn.
    „Ja, richtig. Ich wiege nämlich 46 Kilo. Käme ich nur hinunter, würde ich ins Dorf rasen, Maro verständigen und euch im Handumdrehen herunterholen!“
    „Das verbiete ich dir!“ erklärte Asbjörn bestimmt. Da brauste ich auf. Aber ich schrie nicht, ich flüsterte es ihm ins Ohr, so daß die anderen an meiner Stimme nicht erkennen sollten, wie wütend ich war.
    „Ich pfeife auf das, was du mir verbietest. Ich will nicht hier sitzen bleiben und zusehen, wie vier Menschen sich den Tod holen und der arme alte Mann einen Herzanfall bekommt - sieh nur, wie elend er sich schon fühlt. Wir müssen etwas unternehmen, zum Teufel. Denk nach! Du hast einen Ledergürtel. Wir haben Riemen am Rucksack, am Feldstecher und an der Kamera. Dein Anorak ist ziemlich lang, von einem Ende des Ärmels bis zum anderen gerechnet. Ich habe ebenfalls eine feste Jacke und einen Gürtel, der alte Mann hat einen Stock. Das alles müssen wir doch aneinanderknüpfen können! Dazu noch dein Hemd und meine Bluse.“
    „Ich selber würde es gern tun, Bernadette.“
    „Ja, ausgerechnet du mit deinen fünfundachtzig Kilo! Und nun hilf mir! Und tust du es nicht, so versichere ich dir, daß ich dich mein ganzes Leben lang verachten werde, und du kannst allein in deiner Wohnung in Frankfurt sitzen, denn ich heirate dich nicht. Mir ist es todernst!“
    „Du willst mir also
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