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Bratt, Berte - 01 - Das Herz auf dem rechten Fleck

Bratt, Berte - 01 - Das Herz auf dem rechten Fleck

Titel: Bratt, Berte - 01 - Das Herz auf dem rechten Fleck
Autoren: Berte Bratt
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eine zurück und eine Stunde für den Isenheimer Altar!“
    „Ich fürchte, deine Berechnung wird nicht ganz stichhaltig sein“, meinte Asbjörn. „Es klingt ein wenig unwahrscheinlich - Freiburg -Colmar hin und zurück und dann Kunstgenuß, und das alles in drei Stunden! Außerdem weiß ich nicht, ob man in Frankreich nicht den Internationalen Führerschein braucht, und den habe ich nicht.“
    „Dann laß das Auto in Freiburg stehen. Wir können einen Bus nach Colmar nehmen.“
    „Einen Bus, wo wir das Auto haben! Du bist ja gut! Nein, mein Liebling, wünsch dir lieber etwas anderes!“
    Ich hatte keinen Kloß im Hals, keine Tränen in den Augen. Ich war bis in mein Innerstes hinein kalt und tot. Und ganz ruhig.
    „Ich will es versuchen“, sagte ich und erhob mich. „Aber wenn wir morgen früh aufbrechen wollen, habe ich noch einiges zu tun. Ich muß ein Kleid bügeln und eine Bluse waschen.“
    „Tu das, mein Schatz. Könntest du bitte auch gleich ein Nylonhemd für mich mitwaschen?“
    „Selbstverständlich.“
    Ich stand in Frau Müllers Badezimmer und wusch. Ich war durch und durch kalt und wie erstarrt. Etwas in mir war getötet - und dieses Mal war es nicht nur ein kleines Marienkäferchen.
    Schüttele es ab, sagte ich aus alter Gewohnheit zu mir.
    Nein, ich konnte es nicht. Denn dies nagte an meiner Seele und fraß sich immer tiefer und tiefer hinein.
    Es handelte sich nicht darum, daß ich den Isenheimer Altar nicht zu sehen bekommen sollte - obwohl ich ihn so gern besucht hätte. Aber daß Asbjörn mir einen so brennenden Wunsch abschlug - daß er nein sagte, nachdem ich ihm vertrauensvoll auf seine eigene Frage geantwortet hatte - , daß er nein sagte, ohne im geringsten nachzudenken, ob sich mein Wunsch erfüllen ließe!
    Internationaler Führerschein? Er hätte nur einen Automobilklub anzurufen und zu fragen brauchen. Ach, warum hatte er nicht lächelnd gesagt: „Was für komplizierte Wünsche du aber auch hast, du kleiner Racker! Nun, wir wollen mal sehen. Hol die Karte her, und dann rechnen wir uns aus, wie weit wir nach Frankreich hinein müssen. Und wenn mein Führerschein dort wirklich nicht gilt, dann eben nicht. Es werden bestimmt den ganzen Tag über Busse verkehren, das können wir in Freiburg feststellen. Selbstverständlich sollst du deinen Altar zu sehen bekommen.“
    Warum hatte er nicht gelacht und gesagt: „Du bist aber gut, du mit deinen drei Stunden - ich kenne dich, mein Schatz; zunächst einmal wirst du mindestens zwei Stunden vor dem Altar stehen, außerdem wirst du bestimmt Andenken und Obst kaufen und dich in Colmar umsehen wollen. Ich glaube, wir setzen dafür lieber einen ganzen Tag ein - und den gönne ich dir von Herzen!“
    Das alles hätte er sagen können. So leicht wäre es gewesen. So hätte Tante Cosima geantwortet. So hätten auch Mutti, Onkel Ferdinand und Tony reagiert - ja, Tony zuallererst. So hätte auch ich geantwortet. Niemals hätte ich es über mich gebracht, nein zu sagen, wenn ein anderer Mensch sich etwas brennend wünschte.
    Etwas in mir war gestorben.
    Was hatte Asbjörn damals gesagt: „Ihr habt ein Füllhorn, das immer überläuft.“ Es lief nicht mehr über. Aus dem Füllhorn hatte ich die Kräfte geholt, um mit tausend kleinen, dummen, unbedeutenden Enttäuschungen und Ärgernissen fertig zu werden. Nun, da ich so dringend etwas von der Freude und dem Überfluß brauchte, war mein Füllhorn leer.
    Ich hängte die Bluse und das Hemd auf die Schnur im Bad, ging ins Zimmer zurück und begann zu packen. Ich packte ganz still und langsam - nicht wie damals, als wir von Villeverte aufbrachen. Damals war ich so froh, ich sang und trällerte, während ich die Sachen in einem wilden Durcheinander in den Koffer warf.
    Immer wieder sagte ich mir, Asbjörn sei ein prachtvoller Kerl. Alle mochten ihn gern. Offen und ehrlich, gewissenhaft und lieb.
    Lieb? War er das wirklich?
    War er nicht im Grunde seines Herzens ein riesengroßer Egoist?
    Es stimmte durchaus, daß er zu mir sehr lieb und Verständnisvoll sein konnte. Aber ein grenzenloser Egoist kann doch auch verliebt sein. Ein Egoist kann ein so bezauberndes Wesen haben, daß alle ihn mögen.
    Aber ich - sollte ich einen solchen Egoisten heiraten? Sollte ich mich auf ein Dasein voll kleiner und immer größerer Enttäuschungen einlassen - sollte mein Lebensweg mit kleinen, abgetöteten Freuden bedeckt sein?
    Sollte ich es wagen, einen Mann zu heiraten, der mir ohne jede Hemmung, ohne eine Spur von
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