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Bran

Bran

Titel: Bran
Autoren: Matthias Falke
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freigesetzten Energien kompensiert und den Quantenspeichern der Plasmalakunen zugeleitet. In deren holografischem Inneren schwebte die virtuelle Singularität, jetzt auf ein Masseäquivalent von wenigen Gramm heruntergefahren, dafür auf einem wesentlich höheren Energiezustand befindlich; dieser drückte sich vor allem im millionenfach verstärkten Spin aus. Die HOOKED KITE musste, trotz der Magnetbarrieren, physikalische Steuerdüsen zünden, um den Impuls auszugleichen, ganz wie ein Helikopter traditioneller Bauweise einen Heckrotor benötigt hatte, um das Drehmoment des Hauptantriebs zu kompensieren.
    Im selben Augenblick kam der Alarm.
    Rotes Licht überspülte das Cockpit. Eine Detonation von Blut, das zu einem Sonnenuntergang gerann. Ein Sirenenton schrillte, nervtötend wie Babygeschrei. Das Schiff bockte und bäumte sich auf wie ein Pferd, das vor einer Klapperschlange scheut.
    Als werfe man einem Mustang im vollen Galopp die Zügel über und bringe ihn im selben Augenblick zum Stehen. Aufgestampfter Staub legt sich auf die schweißbetauten Flanken und verwandelt den edlen Schimmel in eine dampfende, porös wirkende Skulptur aus Sand.
    Die Beinahe-Kollision und das Abfangmanöver der Automatik hatten keine Mikrosekunde gedauert. Zu kurz für menschliche Wahrnehmungs- oder Reaktionsmuster. Bis Straner erschrecken konnte, war die Gefahr schon abgewandt. Er konnte in Ruhe abwarten, bis das Adrenalin in seinem Körper verrieselte wie ein leichter Fieberschauer. Dann konzentrierte er sich auf die Kontrollen und nahm die Verfolgung des Schiffes auf, das buchstäblich aus dem Nichts vor ihm erschienen war. Bei gebührendem Abstand und einer entsprechend angepassten Geschwindigkeit hängte er sich an die Heckaggregate des Einsitzers, der kleiner und leichter war als die HOOKED KITE .
    Was machte ein so winziges Schiff hier draußen?
    Sie waren weitab jeglicher regulären Fracht- und Handelsrouten. Zhid, die einzige besiedelte Welt des Systems, lag etliche Lichtminuten voraus, was bei ihrer derzeitigen Geschwindigkeit noch eine Flugdauer von gut einer Stunde bedeutete. Sonst trudelten lediglich ein paar Asteroiden durch die Leere. Hier war nichts.
    Straner studierte, was die Abtastung von der elektronischen Kennung des anderen Schiffes aufgefangen hatte. Viel war es nicht. Immerhin prangte der Gazellenadler auf seinem Monitor, das offizielle Emblem von Zhid. Er hatte einen Diplomaten vor sich oder gar ein Mitglied der Herrscherfamilie. Ein Agent auf geheimer Mission wie er selbst? Das wäre ein astronomischer Zufall: die Kollision zweier Spione, die im selben Sekundenbruchteil an der nämlichen Raumzeitstelle auftauchten, mitten in den Weiten des unendlichen Kosmos! Das Schiff hatte einen Piloten und offiziell keine Fracht. Alle anderen Informationen waren unterdrückt. Die Art und Weise, in der das Shuttle seinen Flug fortsetzte, ohne von ihm Kenntnis zu nehmen, sprach für ein robustes Selbstbewusstsein. Da schien jemand seiner Sache sicher zu sein. Denn natürlich hatte auch der andere Pilot seine, Straners, Kennung auf den Schirm bekommen, als sie im Abstand von 100 Nanosekunden aneinander vorbeischrammten.
    Sie hatten beide dasselbe Ziel. Es gab hier draußen nur eines: Zhid City lag am Rande der tropischen Zone der ungewöhnlich lebensfeindlichen Sand- und Wüstenwelt Zhid. Ihre südlichen Vororte reichten in den schmalen Urwaldgürtel, der den Äquator dieser wasserarmen Welt umgab und der eher eine dornige Macchia war als ein Regenwald. Und ihre nördlichen Bezirke verliefen in die glühende Sandwüste, die sich dann über mehr als fünfzig Breitengrade bis zu den steinigen, sommerheißen Geröllebenen und Felsplateaus der subarktischen Zone erstreckte.
    Die Stadt besaß keinen zentralen Raumhafen, sondern verfügte stattdessen über zahllose kleine und mittelgroße Lande-Areale, die mitten in Wohngebieten, meist Hunderte Stockwerke tief eingeschnitten zwischen den wildwüchsigen Straßenschluchten und Menschensilos offen gelassen waren.
    Zhid wirkte während des Landeanflugs wie ein riesiger schwarzer Tumor, der sich in den Übergang von tropischer zu subtropischer Zone oder von Dornwald zu Wüste gefressen hatte wie eine Krebsgeschwulst in die Berührungsstelle zweier Gewebearten. Mattgrau, dunkel und opak, weniger stern- als tentakelförmig, in lange stachlige Fortsätze auslaufend, die sich lymphatisch in die Umgebung erstreckten und alles Leben aus ihr aufsaugten. Viel befahrene Routen in die Sandebenen
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