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BRAINFUCK

BRAINFUCK

Titel: BRAINFUCK
Autoren: Alfred Berger
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Weinbrand in ihrem Bauch auslöst, entspannt sie und so macht sie sich daran, zu ergründen, was diese Mail für ein Geheimnis birgt. Eine Sequenz zwischen den Bildern kann sie nicht zuordnen. Sie kramt ihr altes Handbuch aus der Schreibtischschublade und schlägt nach. Zuerst versteht sie nicht, was es für Zusammenhänge zwischen Einblendungen von drei Millisekunden Dauer und kurzen Textfragmenten geben soll – doch dann versteht sie …
    »Du mieser kleiner Bastard!«, ruft sie laut. Ihre Katze verlässt fluchtartig den Raum. Miriam weiß sofort, wem sie diese Überraschung zu verdanken hat. »Was der kann, kann ich schon lange!«
    Sie beginnt, mit einem zynischen Lächeln auf den Lippen, Olivers Programmierung zu bearbeiten.

    *

    Oliver öffnet die E-Mail.
    ›Ich habe grenzenlose Sehnsucht nach Dir und halte es nicht mehr ohne Dich aus! Ich komme morgen Nachmittag um 16 Uhr am Bahnhof an, holst mich bitte ab? Ich liebe Dich, Deine Anna-Maria.‹
    Sie hat ein kleines Filmchen von dreißig Sekunden Länge mitgeschickt, in dem sie sich lasziv in Dessous auf dem Bett rekelt.
    »Hab ich dich, du verlogene Schlampe!«, flüstert Oliver und verspürt plötzlich das dringende Bedürfnis auf den Balkon zu gehen.
    Glücklich lächelnd steigt er über das Geländer und lässt sich aus dem fünften Stock nach unten fallen.

Akkumulator II (Nacht im Park)

    „Der Satz vom Bestehen der Energie fordert die ewige Wiederkehr.“

    (Friedrich Nietzsche)

    Stocksteif saß Denise in ihrer Hängematte. Die linke Hand um einen Ast gepresst, um ein Schaukeln und damit ein Geräusch, zu verhindern.
    Sie nutzte gern in warmen Sommernächten die im letzten Jahr von den Parkschützern angelegten Schlafstellen in den Bäumen. Seit sich die Querelen um ›Stuttgart 21‹ gelegt hatten, besetzten die Umweltaktivisten diese nicht mehr. In der luftigen Höhe ließ es sich hervorragend schlafen. Außer turtelnden Liebespaaren störte niemand die Ruhe.
    Ihr Unterarm begann zu schmerzen, sie lockerte ihren Griff und schüttelte die Finger aus. Ihr Puls beruhigte sich, die Gedanken fanden zu ihrer üblichen Klarheit zurück. Sie hatte gerade einen Mord beobachtet.

    *

    War es vorstellbar, dass …? Sie versuchte sich zu verbieten, den Gedankengang weiterzudenken, doch dieser krallte sich hartnäckig an ihren Gehirnwindungen fest. Der Mann hatte das Opfer nicht durchsucht oder bestohlen – einen Raubmord konnte sie ausschließen. So friedlich, wie die beiden nebeneinander hergegangen waren, schloss sie eine Tötung im Streit oder eine Beziehungstat ebenfalls aus.
    Blieb die Option eines Sexualmordes. Absurd! Der Mörder hatte die junge Frau nicht angefasst, wenn man den Griff um den Hals, mit dem er sie erwürgt hatte, außen vor ließ. Der ursprüngliche Gedanke meldete sich mit einem leisen Kichern. Er ist wie du!
    »Nein, ist er nicht!«
    Sie schlug sich die Hand vor den Mund. Niemand durfte sie jetzt bemerken, hier in der direkten Nachbarschaft eines Tatortes. Der Blick des Mannes, als er dem Opfer die großen Hände um den Hals gelegt hatte. Das gierige Glitzern in den Augen. Wie er während ihres Sterbens förmlich gewachsen war, seine Gestalt sich aufrichtete – ließ das einen anderen Schluss zu, als den, dass er die Lebensenergie in sich aufgesaugt hatte?
    Sie musste Gewissheit bekommen! Sorgfältig auf jedes entstehende Geräusch achtend, öffnete sie den Reißverschluss des Sommerschlafsacks, schob sich aus der Hängematte und kletterte geschmeidig nach unten. Die letzten zwei Meter ließ sie sich fallen, rollte sich auf dem Rasen ab und rannte los. Der Kerl war in Richtung der Mineralbäder gegangen. So schnell sie konnte, sprintete Denise durch die Dunkelheit.
    Ihr Denken kreiste um den großen, massigen Mann. Wenn er tatsächlich wie sie war? Sie wusste seit ihrem vierzehnten Lebensjahr, was sie war. Im September würde sie ihren neunundsechzigsten Geburtstag feiern und in der ganzen Zeit, in der sie sich von der Lebensenergie ihrer Mitmenschen ernährte, hatte sie niemanden getroffen, der ihr ähnelte.
    Schwer atmend erreichte sie die U-Bahn-Station an den Mineralbädern und sah sich um. An einen Fahrkartenautomat gelehnt stand jemand. Der Körper verschmolz mit dem Schlagschatten der Überdachung. Mit leisen Schritten bewegte sich Denise auf ihn zu. Unter der Leuchtanzeige, die verkündete, dass die nächste Bahn in zwei Minuten einfahren würde, blieb sie stehen. Alles in ihr schrie danach, sich umzudrehen und sich zu
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