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BRAINFUCK

BRAINFUCK

Titel: BRAINFUCK
Autoren: Alfred Berger
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Mensch sein.

    *

    Schwester Sabina öffnete die Tür und schob das Bett ins Zimmer. »So, da wären wir Jana. Das ist Carola, deine Zimmerkollegin.«
    Das etwa vierzehnjährige Mädchen saß im Schneidersitz auf dem Bett, hielt ihren MP3 Player in der Hand und bewegte den Kopf zur Musik, die aus überdimensionalen Kopfhörern schallte.
    Jana, die neben der Schwester hergelaufen war, steuerte zielsicher auf Carola zu und streckte ihr die Hand hin. »Hi, ich bin die Jana. Warum bist du hier?«
    Unwillig hob die Teenagerin die rechte Seite ihres Kopfhörers an. »Hä?«
    »Ich bin die Jana«, wiederholte Jana, »Ich hab' eine neue Niere bekommen. Und warum bist du hier?«
    »Ich heiße Carola.« Sie strich sich über das bunte Kopftuch, das sie trug. »Und ich habe Leukämie.«
    »Sie bekommt eine Chemotherapie«, mischte sich Schwester Sabina ein. »Deshalb geht es ihr nicht gut im Moment.«
    »Wirst du denn wieder ganz gesund?«, wollte Jana wissen. »Ich darf bald nach Hause«, fügte sie hinzu.
    »Das will ich schwer hoffen!«, gab Carola zurück und setzte den Kopfhörer wieder auf ihre Ohrmuscheln. Für sie war das Gespräch beendet.

    *

    Ich sehe! Es war nicht schwer, den Sehnerv zu finden. Starke Impulse leiten mich. Nicht mehr lange, dann kann ich hören und riechen. Ich bin zurück.

    *

    »Schwester! Hilfe!« Carola kam auf den Flur gestürzt, rannte zum Bereitschaftszimmer und riss die Tür auf. »Schwester, das Mädchen … Jana … sie hat mich angefasst!«
    Die Nachtschwester, eine dicke Blondine, auf deren Namensschild Susanne zu lesen war, stand von ihrem Stuhl auf. Sie legte dem Mädchen einen Arm um die Schulter. »Wie meinst du das: Sie hat dich angefasst?«
    Stockend erzählte Carola, was ihr widerfahren war.
    »Ich bin aufgewacht. Da saß sie auf meinem Bett und … hat mich gestreichelt … sie wissen schon … da unten!«
    »Du bleibst erst mal hier«, ordnete die Schwester an und drückte den Teenager sanft auf den roten Plüschsessel, der neben dem Eingang stand. »Ich gehe zu ihr.«
    Schwester Susanne erreichte das Krankenzimmer, dessen Tür weit offen stand. Jana lag auf ihrem Bett und hatte den MP3 Player ihrer Zimmerkollegin aufgezogen. »Du riechst so gut, ich geh dir hinterher …«, sang sie laut und misstönend, den Song von Rammstein mit, dessen Rhythmen deutlich zu hören waren. Als sie die Schwester bemerkte, stellte sie die Musik ab.
    Schwester Susanne versuchte zu ergründen, was vorgegangen war, doch Jana beantwortete alle ihre Fragen mit einem Kopfschütteln. Um sicherzugehen, dass keine körperliche Komplikation vorlag, maß die Schwester Temperatur, Puls und Blutdruck. Sämtliche Werte lagen im grünen Bereich. Eine seltsame Geschichte. Ob Carola geträumt hat?
    Susanne konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass Jana sie unsittlich berührt haben sollte. Sie beschloss, das Mädchen für diese Nacht auf ein anderes Zimmer zu verlegen und am nächsten Morgen Dr. Glaser zu benachrichtigen.

    *

    Wie gut sich das anfühlt. Wie aufregend das riecht. Ein junges, frisches Fötzchen. Ich will mehr davon! Ich hole mir mehr davon!

    *

    Das Licht des Vollmondes und der Sterne glitzerte von einem nachtklaren Himmel und erleuchtete die zugezogenen Vorhänge des Krankenzimmers. Durch das gekippte Fenster erscholl das erste Vogelgezwitscher des erwachenden Morgens.
    Unter dem Bett erklang das leise Plitschen fallender Blutstropfen. Carolas Leiche lag nackt auf dem Rücken, Arme und Beine mit Klebeband ans Bettgestell gefesselt, der Mund zugeklebt. Die Augen waren weit aufgerissen, der Leib vom Schambein bis zum Brustbein aufgeschnitten und ausgeweidet. Ihre Organe lagen im Zimmer verstreut, über dem Triangelgriff hingen die Gedärme, wie zum Trocknen aufgehängte Strümpfe. Die Brüste fehlten. Der markerschütternde Schrei einer Frau ließ die Vögel in den Bäumen verstummen.

    *

    Das hat gut getan! Die dreckige kleine Schlampe! Wie sie gewimmert hat. Mehr! Jetzt!

    *

    Die junge Studentin, die sich ihr Geld mit Taxifahren im Nachtdienst verdiente, musterte das Mädchen neugierig. Es trug eine Tüte bei sich und hatte eine Hand tief in der Tasche ihrer zu großen Jeans versenkt.
    »Wo soll es denn hingehen, junge Dame?«, erkundigte sie sich fröhlich.
    Jana umklammerte das in einer Plastikhülle steckende Einwegskalpell fest mit der Rechten. »Ins Industriegebiet bitte.«

Weiß

    „Gott verzeiht, der Berg nie.“

    (Unbekannter Verfasser)

    Schwer atmend lehne ich mich
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