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Braig & Neundorf 13: Schwaben-Sommer

Braig & Neundorf 13: Schwaben-Sommer

Titel: Braig & Neundorf 13: Schwaben-Sommer
Autoren: Klaus Wanninger
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weiteren Aussagen abzuhalten, vergeblich. Sabine Kleiber hatte jeden Widerstand aufgegeben.
    »Aus Rache. Wir dachten, er hat es verdient. Genau wie Allmenger.«
    Neundorf starrte der Frau in die Augen, schnappte nach Luft. »Allmenger«, sagte sie leise.
    »Sabine!«, schrie der Mann. »Sabine!«
    »Er hat mich gefeuert. Vierzehn Jahre arbeitete ich als ausgebildete Altenpflegerin in dem Seniorenheim. Frühdienst, Spätdienst und alle paar Wochen Nachtdienst. In den letzten Jahren, weil sie so stark rationalisiert haben, die ganze Nacht allein auf zwei Stationen mit siebzig bis achtzig pflegebedürftigen Menschen. Und dann wurde ich entlassen, weil ich drei Maultaschen vom Teller einer alten Frau nahm, die sie nicht hatte essen wollen. Vierzehn Jahre Arbeit, auch wenn ich mich krank fühlte, auch als mein Mann starb – und wissen Sie, für wie viel Geld? Netto keine zweitausend! Und dann von einer Sekunde auf die andere gefeuert. Von einem Kerl, der immer nur in seinem Büro hockt, nur nach immer mehr Gewinn schielt und von unserer Arbeit überhaupt keine Ahnung hat. Glauben Sie nicht, dass der das verdient hat?«
    Oh doch, rumorte es in Neundorf, der Dreckskerl hat es verdient, und wie, aber … »Was habe ich nur für einen Scheißjob!«, zischte sie, stampfte vor Wut auf den Boden.
    Die Frau und der Mann schauten verwundert zu ihr her.
    Sie versuchte, den Mann zu beruhigen, brachte ihn gemeinsam mit Sabine Kleiber dazu, im Wohnzimmer Platz zu nehmen und alles der Reihe nach zu erzählen.
    Marc Schrey hatte acht Jahre in einem der Getränkemärkte Müllers gearbeitet, als »Lagerarbeiter, Besteller, Verkäufer, LKW-Entlader, LKW-Belader, Flaschensortierer, Scherbenbeseitiger, Putzmann, Großkunden-in-den-Arsch-Kriecher«, wie er es selbst umschrieben hatte. Dann im letzten Sommer war er von Müller persönlich gefeuert worden, weil er an einem glutheißen Augustnachmittag nach mehreren Stunden Arbeit draußen in praller Sonne nach einer Flasche Bier gegriffen und diese getrunken hatte. Der eigentliche Grund für den Arbeitsplatzverlust, erklärte Schrey, lag in der Rationalisierungswut Müllers, der in allen seinen Märkten ältere Arbeitnehmer aussortierte, weil deren gesetzliche Ansprüche auf Sozialleistungen höher waren als die der jüngeren.
    Und dann war er beim Surfen im Internet durch einen Zufall auf Sabine Kleiber gestoßen, die wenige Wochen vorher ein ähnliches Schicksal erlitten hatte, »ein halbes Jahr, nachdem dieser Allmenger neuer Chef des Seniorenheims geworden war«, wie sie betonte. In diesen paar Monaten hatte der Mann dafür gesorgt, die Personalbesetzung auf allen Stationen noch weiter zu reduzieren, der Nachtschicht, einer einzigen Pflegekraft, zwei volle Stationen zuzumuten.
    »Das ist völlig verantwortungslos«, erklärte die Frau, »stellen Sie sich das doch einmal vor, siebzig bis achtzig pflegebedürftige Menschen für eine einzige Betreuerin.«
    Und dann war das mit ihrer Kündigung passiert.
    »Ich bin dafür verantwortlich, was wir mit den Dreckschweinen gemacht haben«, betonte Marc Schrey, »lassen Sie Sabine in Ruhe, sie wollte es nicht.«
    Wie sie auf die Idee mit der Internet-Übertragung gekommen waren?
    »Ich erfuhr durch einen Zufall, was Allmenger verdiente«, antwortete Sabine Kleiber. »250.000 Euro im Jahr.« Sie schwieg einen Moment, wiederholte dann die Summe. »250.000 Euro im Jahr. Verstehen Sie, was das bedeutet? Über 20.000 Euro im Monat, fast zehn Mal so viel wie seine Angestellten, die Nacht für Nacht siebzig bis achtzig Menschen umsorgen müssen und deswegen regelmäßig in große Not kommen, weil mindestens zwei, drei Senioren gleichzeitig um Hilfe rufen. Und dann feuert mich dieser Kerl wegen dieser Maultaschen. Das ließ uns keine Ruhe mehr.«
    »Der musste öffentlich bloßgestellt werden, das war das Einzige, was ich noch wollte, und dieser Müller genauso. Ich kenne mich gut aus mit Computern und so«, ergänzte Marc Schrey, »und so kam ich auf die Idee.«
    »Wir«, betonte Sabine Kleiber, »wir kamen auf die Idee. Wir beide, gemeinsam. Erst der eine Dreckskerl, dann der andere. Es war unser gemeinsamer Plan.«
    »Und wieso verwendeten Sie gerade Maultaschen der Firma Fitterling?«
    »Fitterling?« Schrey zuckte mit der Schulter, schaute ratlos zu ihr her. »Mein Bruder hat ein großes Lokal. Er ist auf schwäbische Küche spezialisiert. Ich fragte ihn nach Maultaschen, da gab er mir die mit. Sie waren schon etwas älter, die Firma sei in
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