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Bragg 04 - Dunkles Verlangen

Bragg 04 - Dunkles Verlangen

Titel: Bragg 04 - Dunkles Verlangen
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in der Halle stand, dem Earl höflich hinterher.
    »Von mir aus kannst du ihnen auch Steckerlfisch auftischen«, entgegnete Nick übellaunig.
    »Ja, Sir«, entgegnete Thomas.
    Der Earl blieb auf dem ersten Treppenpodest stehen. Der Griff, mit dem er das Geländer umklammert hielt, ließ alles Blut aus seiner Hand entweichen. Er sah Thomas, dessen Gesicht auch jetzt wieder völlig ausdruckslos erschien, kühl an. Man hätte fast meinen können, dass er lächelte. Allerdings wusste Thomas ohnehin ganz genau, wann er den Earl wörtlich zu nehmen hatte. Was man von dem Diener, den Nicks verstorbene Frau früher beschäftigt hatte, nicht hatte sagen können. Als der Earl einmal in Abwesenheit seiner Frau einige ihrer Freunde bewirtet hatte, hatte dieser Schwachkopf von einem Diener doch tatsächlich zum Tee am Spieß gebratenen Fisch hereingetragen. Schwer zu sagen, wen der Anblick dieses absurden Mahles mehr schockiert hatte: Nick oder seine Gäste. Nach dem ersten Schock war Nick in lautes Lachen ausgebrochen. Seine Frau Patricia war überhaupt nicht amüsiert gewesen, als sie später von dem Vorfall erfahren hatte.
    Der Earl stürmte in seine Privatgemächer, wo gottlob kein Kammerdiener herumstand. Er hatte nämlich keinen. Auch so ein Streitpunkt zwischen ihm und seiner Frau. Bis zu ihrein vier Jahre zurückliegenden Tod hatte Nick sich nämlich notgedrungen mit einem Leibdiener herumgeärgert. Einfach lächerlich. Schließlich war er ein erwachsener Mann und konnte sich alleine anziehen. Einfach lachhaft! Fremde Leute hatten in seinen Privaträumen nichts zu suchen. Basta! Als dann der Prozess endlich vorbei gewesen war, hatte er den Diener sofort entlassen. Wenn ihm die Leute nicht leidgetan hätten, hätte er sogar zwei Drittel der Dienerschaft entlassen. Aber der Earl wusste nur zu gut: Fast alle Menschen, die auf dem Land ihre Arbeit verloren, zogen in die Stadt, wo die Fabriken ständig neue Arbeitskräfte brauchten. Er brachte es einfach nicht fertig, seine Angestellten, die er alle persönlich kannte, einem solchen Schicksal zu überantworten. Nick war nämlich im Westen von Texas auf einer Ranch aufgewachsen. In seinen Augen war das Dasein eines Fabrikarbeiters die Hölle auf Erden.
    Sein Hemd war nass geschwitzt. Nick zog es aus und warf es auf den Boden. Er war gerade von einer Wiese im Süden seines Besitzes zurückgekommen, wo er mit einigen Arbeitern an einer neuen Grenzmauer gearbeitet hatte. Das war eine Arbeit, wie er sie liebte: auf den Feldern Steine aufzuklauben und zu einer Mauer aufzutürmen. Viele seiner Nachbarn ließen die Felder, auf denen sie früher Getreide angebaut hatten, einfach brachliegen. ja, sie nutzten das Grasland, das sich auf dieser Brache immer weiter ausbreitete, nicht einmal zur Viehzucht. Der Earl hingegen war darum bemüht, seine Ländereien so wirtschaftlich wie möglich zu nutzen. Auf der neuen Wiese konnte er beispielsweise Heu ernten, um mehr Rinder als bisher über den Winter zu bringen. Er kannte die schwierige Lage der Landwirtschaft ganz genau und war für die Zukunft des Wirtschaftszweiges nicht sehr optimistisch. Er war sich auch darüber im Klaren, dass er klug wirtschaften musste. Trotzdem hatte sich Dragmore unter seiner umsichtigen Führung zu einem erfolgreichen Betrieb entwickelt. Nick wusste, dass er an allen Ecken und Enden rationalisieren und die Erträge deutlich steigern musste, um gegen die wesentlich kostengünstiger produzierende amerikanische Konkurrenz zu bestehen. Dieser Herausforderung widmete er sich mit ganzer Kraft – vom frühen Morgen bis zur Abenddämmerung.
    Er hatte fast vergessen, dass unten die beiden Frauen auf ihn warteten.
    Der Earl knöpfte grimmig das frische Hemd zu, das er übergestreift hatte. Er durfte sie nicht länger warten lassen. Nicht zum ersten Mal bereute er den Tag, an dem er Patricia Weston geheiratet hatte.
     
    Jane hörte, wie er nach unten kam.
    Sie holte tief Luft. Das Warten war ihr schier unerträglich erschienen. Außerdem fand sie sein Verhalten unmöglich. Sie hatte genau gesehen, wie er ihnen den Rücken zugekehrt hatte, als sie in der Kutsche draußen vorgefahren waren. Nicht einmal stehen geblieben war er, um sie zu begrüßen, wie es seine Pflicht als Gastgeber gewesen wäre. Und nun saßen sie schon seit einer guten halben Stunde im gelben Salon, und er hatte sie noch immer nicht mit seiner vornehmen Anwesenheit beehrt. Jane hatte aus schierer Langeweile und um sich die Zeit zu vertreiben ihre
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