Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Bottini, Oliver - Louise Bonì 02

Titel: Bottini, Oliver - Louise Bonì 02
Autoren: Im Sommer der Mörder
Vom Netzwerk:
uns, nicht ihn.«
    »Dann bringe ich dich um.«
    Ein ernster, fast intimer Blick. »Und wechselst die Seiten?«
    Sie nickte, dachte: Und wechsle die Seiten.

    Und wieder warten, warten, warten. Sie hockte auf dem Erdboden, an einen Baum gelehnt, vermied es, Marcel anzusehen. Das Grau wurde immer heller, die Wolken brachen auf, dahinter war gleißendes Licht zu erahnen. Der Morgen, an dem alles ein Ende finden würde. Noch nie in ihrem Leben hatte sie sich so auf die Sonne gefreut wie in diesem Moment. Mit der Sonne würden Lisbeth Walters schwarze Horden verschwinden.

    Würden zurückkriechen in ihre Unterschlüpfe, ihre Nicht-Existenz, um dort weitere fatale Pläne zu entwerfen, weitere bedauerliche Unfälle einzukalkulieren.
    Sie schloss die Augen.
    Falls Thomas Ilic etwas zustieße, würde sie ihnen in ihre Unterschlüpfe folgen.
    Jamal will uns, nicht ihn, sagte Marcels Stimme in ihrem Kopf. Sie nickte. Klammerte sich an die Hoffnung, dass auch Jamal logisch dachte. Zwischen den einen und den anderen unterscheiden konnte.
    Als sie ihr Telefon in der Umhängetasche vibrieren hörte, öffnete sie die Augen.
    Marcel schüttelte den Kopf.

    Kurz darauf war in der Ferne ein Helikopter zu hören. Die Geräusche klangen anders als vorhin bei Schobers »Bussard«.
    Abgehackt, bedrohlich, tonlos. Nach Krieg.
    Sie dachte an Wilhelm Brenners Worte – da will jemand Krieg führen. Mahr, die Jinnah und ihr Bürgerkrieg. Marcel und sein geheimer Krieg.
    Sie stand auf.
    Aus Marcels Funkgerät drang eine unverständliche Stimme. Er hörte zu, sagte ein paar spanische Wörter, am Ende » Bien « .
    Bien, dachte sie. Das war’s dann. Der Krieg verloren, die wichtigen Fragen unbeantwortet.
    Aber man konnte es ja noch mal versuchen.
    Sie trat neben ihn, sagte: »Kindheit im Breisgau, Jugend in Norddeutschland, Bremer Raum. Langjähriges Sprechtraining, um Dialektreste abzuschleifen. Anfang Vierzig, gehobenes soziales Niveau, akademische Ausbildung. Englisch, Spanisch in Schrift und Wort. Du warst, da möchte ich wetten, mal bei der Kripo. Du weißt, wie sie funktioniert. Du magst sie. Du verachtest sie ein bisschen, aber du magst sie. Irgendwie spüre ich bei dir nostalgische Anwandlungen, wenn es um die Kripo geht.«
    Marcel zog sich die Stoffmaske wieder über das Gesicht. Sie starrte auf die Augen, die freien, schmalen Lippen. Die Lippen lächelten sanft. Sie versuchte es weiter – später dann ein MEK
    oder ein SEK oder gleich ein Geheimdienst. Kontakte mit den USA, später Ausbildung durch die Amerikaner, in Deutschland hatte er all das nicht gelernt – oder? Marcel schwieg noch immer. Sie sagte: »Mit einem Phantombild, einem Persönlichkeitsprofil und deiner Stimme finde ich raus, wer du bist. Ich finde raus, wo du die letzten zwanzig Jahre warst, wo du bist. Komme in dein Büro in Virginia und schreibe die Namen der Toten an die Wand.«
    »Dann machen wir ein Picknick in den Wäldern dort.«
    »Ich hasse Picknicks.«
    Die Lippen verzogen sich zu einem Schmunzeln.
    »Die Pakistaner, die ihr in Emmendingen entführt habt …
    Deine Leute bringen sie nach Ramstein oder Spangdahlem, richtig? Setzen sie in ein Flugzeug, fliegen sie irgendwohin, wo ihr anders mit ihnen umgehen könnt als hier. Wo es nicht diese dämlichen demokratischen Regeln gibt.«
    Marcel nahm ihr Handy aus ihrer Umhängetasche und reichte es ihr. »Ruf den Kroaten an.«
    Sie ergriff das Telefon. In ihrem schmerzenden Kopf hallten die schleimigen, scheinheiligen Wörter wider, die Marcel und Mahr so gern benutzten. »Doch nicht so « , sagte sie, »doch nicht mit diesen Methoden, Marcel. Was ist Demokratie denn noch wert, wenn sie die Methoden der Diktatur braucht, um zu überleben? Was wird dann aus uns? Ich meine, sind wir dann überhaupt noch Demokraten? Und wer bestimmt, wann welche Methoden gegen wen eingesetzt werden? Was unterscheidet uns dann …«
    »Ruf an, Louise.«
    »Was unterscheidet uns dann von Leuten wie Jamal? Die Methoden jedenfalls nicht.« Sie tippte Thomas Ilic’ Kurzwahl ein. »Ihr zerstört alles. «
    »Wir retten, Louise. Wir retten.« Marcel war dicht neben sie getreten. Sie spürte den warmen Hauch seines Atems an der Wange. »Wir bringen Freiheit und Gerechtigkeit in die dunklen Winkel dieser Welt.«
    »Quatsch«, sagte sie. »So ein blöder Quatsch.«
    An ihrem Ohr erklang das Freizeichen, dann sagte Thomas Ilic: »Louise, Gott sei dank …«
    Marcel entfernte sich einen Schritt, doch sein Blick blieb auf ihr liegen.
    Jamal
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher