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Bottini, Oliver - Louise Bonì 02

Titel: Bottini, Oliver - Louise Bonì 02
Autoren: Im Sommer der Mörder
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es wieder, das verräterische Wort.
    Kirch zarten .
    Sie ließ sich nichts anmerken. »Der
    Kollateralschaden.«
    Er zuckte die Achseln. »Ein bedauerlicher Unfall.«
    »Ach so. Keiner wollte es, keiner kann was dafür.«
    »Ja«, sagte Marcel. »Genau so ist es.«

    Am Waldrand hielt Marcel inne. Wieder berührte er mit einer Hand ihren Arm, diesmal, damit sie stehen blieb. Mit der anderen hob er ein Funkgerät ans Ohr. Aber er sprach nicht, hörte nur zu. Dann wandte er sich zu den anderen Männern, die ihnen, über die Lichtung verstreut, gefolgt waren, flüsterte etwas auf Englisch. Die Männer verteilten sich links und rechts am Waldrand, waren bald nicht mehr zu sehen. »Wir bleiben hier«, sagte er.
    »Keine Zeit mehr für Shahida?«
    Er antwortete nicht.
    Ihr Blick fiel auf die Lichtung. Endlich verstand sie. Auch die schwarzen Horden hatten einen Helikopter.
    Am Ende, dachte sie, kam noch das Glück dazu. Wenn Schober hätte bleiben können, wenn seine Kontrollinstrumente den anderen Hubschrauber registriert hätten, wenn Stuttgart in Berlin Abfangjäger angefordert hätte …
    Sie rieb sich mit der Hand über die Stirn. Endlich aufhören zu denken. Endlich schlafen.
    Sie spürte, dass Marcel sie ansah. Auf irgendetwas wartete.
    Eine weitere Frage, eine weitere Auseinandersetzung. Darauf, dass der Groschen fiel.
    Dann fiel der Groschen.

    Wo verdammt war Jamal?
    Marcel nickte. »Jamal ist ein Problem.« Sie wussten nicht, wo er war. Shahida hatte versucht zu fliehen, im Tumult war Jamal entkommen. Deshalb hatten sie Shahida erschossen – sie hatten Jamal verfolgen müssen. Aber sie hätten sie, sagte Marcel ruhig, ohnehin erschossen. Mit zwei Terroristen hätten sie es zu viert nicht geschafft. Jamal war wichtiger.
    Sie nickte. Der Wichtigere durfte leben, der weniger Wichtige musste sterben. Auch das klang, wie alles andere, was Marcel betraf, auf eine verheerende Weise logisch. So logisch wie Mahrs Argumente und Pläne und Aktionen. Wie jeder Mord, selbst ein Mord im Affekt. Wenn man die Logik nicht mehr an allgemeingültige Werte, an die Menschenrechte koppelte, wenn man sie dem Einzelnen überließ, konnte alles logisch sein.
    Wenn der Standpunkt des Einzelnen vom gesellschaftlich vereinbarten abwich.
    Und da kam sie ins Spiel. Ihr Job war es, den vereinbarten Standpunkt durchzusetzen. Konnte man das so sagen? Ja, konnte man, nach vier Tagen und Nächten fast ohne Schlaf.
    Sie legte die Hände an die Schläfen. Die Wörter und die Gedanken klebten wieder. Tränen der Erschöpfung liefen ihr über die Wangen. Sie verspürte den Drang zu lachen. Da stand sie hilflos im Wald am Rappeneck und dachte über Logik und Standpunkte nach.
    Sie lachte nicht. Ihre Beine zitterten, ihre Arme zitterten.
    Hinter ihren Augen saß schmerzend die Müdigkeit.
    Marcel hatte nicht weiter gesprochen, schien auf eine Erwiderung zu warten, doch sie war auch für Erwiderungen und Diskussionen zu erschöpft. Jetzt sagte er, sie hätten Jamal auf der anderen Seite des Rappeneck aus den Augen verloren. Im Regen und in der Dunkelheit sei er spurlos verschwunden.
    Jamal war bewaffnet. Hatte ein Messer. Sein Messer.
    Sie nickte erneut. Da waren sie Profis und begingen einen Fehler nach dem anderen. »Er wird zurückkommen«, murmelte sie. »Sie war seine Frau. Er wird seine Frau rächen wollen.«
    »Eine romantische Vorstellung.« Aber er nickte.
    Sie lächelte matt. Romantisch, warum nicht, dies waren irgendwie doch auch Tage der Romantik gewesen. Die Stunden bei Richard Landen, die politischen Träume von Aziza und Johannes Mahr, der groteske Deutsche auf seinem Wüstenritt, das dunkle Gesicht Shahidas, ihr dunkler Tod im Regen auf einem fremden Kontinent.
    Da fiel ihr Schobers zweite Person ein. Die über das Rappeneck-Plateau gelaufen, dann am Bach heruntergekommen, dann verschwunden war. Jamal? Marcel nickte alarmiert, wandte sich ab, um ins Funkgerät zu sprechen. Irgendwo in der Nähe war eine leise Stimme zu hören. Ein paar englische Silben, statisches Rauschen, das abrupt endete, eine flüchtige Bewegung im Augenwinkel, dann herrschte wieder Ruhe. Ihr Blick irrte über die Lichtung. Hielt Jamal sich in der Nähe versteckt? Oder kehrte er zu Shahida zurück?
    Traf dort auf Thomas Ilic?
    »Scheiße, ich muss meinen Kollegen warnen!«
    Marcel schüttelte den Kopf. Nein, natürlich nicht. Thomas Ilic durfte nicht wissen, dass sie sie gefunden hatte.
    »Wenn ihm was passiert, bring ich dich um«, flüsterte sie.
    »Jamal will
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