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Botschaft des Schreckens

Botschaft des Schreckens

Titel: Botschaft des Schreckens
Autoren: Blanche Mosler
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aufhören würde, seiner Mutter zu erklären, daß er mich wirklich liebte. Er hatte es nicht einmal für nötig gehalten, mich an jenem Abend noch anzurufen, um mir über die ersten, trostlosen Stunden hinwegzuhelfen. Das einzige, woran ich mich klammerte, war der Gedanke, daß mein Urlaub jetzt bald beginnen würde – der Urlaub, der für meine Flitterwochen bestimmt gewesen war. Jetzt mußte ich eben versuchen, irgendwo über meinen schrecklichen Kummer hinwegzukommen. Aber wo war irgendwo, hatte ich mich gefragt, als ich wie eine Gefangene in meinem dunklen, einsamen Haus hin und her gelaufen war. Wo? Und dann hatte ich gewußt wie ein Kind, das sich weh getan hat und nach Hause läuft: Santa Fe in New Mexico, wo ich einstmals so sicher, so glücklich gewesen war.
    Alte Erinnerungen wurden in mir wach. »Weißt du das noch… und das…?« schien die Vergangenheit mir zuzuflüstern. Ich stellte mir Straßen vor und Gesichter, an die ich jahrelang nicht mehr gedacht hatte. Natürlich – alles mußte jetzt anders sein und älter. Aber an diesem einsamen Abend schien die Zeit stehengeblieben zu sein, und alles war so, wie es in meiner Kindheit gewesen war.
    Einen Jungen gab es in meiner Heimat, an den ich manchmal gedacht hatte – Bob Ellison. Die Ellisons waren unsere Nachbarn gewesen. Seine Mutter, eine Bibliothekarin, mochte mich gern. Aber »Bobby«, wie sie ihren mageren vierzehnjährigen Sohn nannte, war ich nur lästig, weil ich immer mit ihm mitlaufen wollte. Wir gingen zur selben Schule; er war einige Klassen über mir. »Hör auf, mir nachzulaufen«, rief er immer, wenn er sich umwandte und mich sah. »Du bist doch ein kleines Kind. Spiel mit anderen kleinen Kindern, oder…!«
    Dann war ich beleidigt und ging entweder auf die andere Straßenseite oder lief davon. Aber ich tröstete mich damit, daß ich nicht immer klein sein würde. Eines Tages würde ich groß und sehr schön sein, und dann würde er nur zu glücklich sein, wenn er mich heiraten durfte. Ja, eines Tages würde ich mich revanchieren!
    So groß mein Kummer wegen Jay Hallum war – ich mußte lachen. Nicht, daß ich vorhatte, Bob Ellison aufzusuchen. Wir hatten seitdem nie mehr wieder voneinander gehört und mußten uns völlig fremd geworden sein. Wahrscheinlich war er auch schon verheiratet; vielleicht lebte er nicht einmal mehr in Santa Fe.
    Ich verdrängte die Hallums aus meinen Gedanken. Die Wacholderbüsche und Zedern auf den steilen Hängen sahen jetzt beinahe schwarz aus, und meine Hände auf dem Lenkrad wurden klamm. »Nur keine Angst«, redete ich mir ein, »es sind noch dieselben Sterne dort oben – die größten, hellsten Sterne auf dieser Welt. Und außerdem wirst du schon bald die Lichter der Stadt sehen!«
    Ich schaltete die Scheinwerfer an und wünschte mir, zu Hause geblieben zu sein. Zumindest hätte ich es so einrichten sollen, daß ich nicht in der Nacht durch diese Berge fahren mußte! Ich versuchte, nicht an die Motorradbande zu denken, die mir vielleicht schon knapp auf den Fersen war.
    Meine Hände packten das Lenkrad fester. Das Tal hatte sich verengt, und die Bergflanken waren jetzt steiler. Ich hatte das anders in Erinnerung aus meiner Kindheit, doch waren Kindheitserinnerungen offenbar ebenso trügerisch wie alles andere. Im Scheinwerferlicht konnte ich jetzt ein Schild ausmachen. Ich atmete auf; gleich würde ich wissen, wie weit es noch war bis zur Stadt. Wenn mir auch bei meinen quälenden Erinnerungen jegliches Zeitgefühl verlorengegangen war, so mußte ich doch die Berge bald hinter mir haben. Aber als ich das Schild erreichte, stand nur darauf: »Bergrutschgefährdetes Gebiet. Steinschlag.«
    Steinschlag oder ein Bergrutsch – das hätte mir gerade noch gefehlt. Plötzlich kam eine enge Kurve, und meine Scheinwerfer huschten über die Felswände. Kleine und große Brocken ragten aus den steilen Wänden heraus, und es sah so gefährlich aus, als könnte der kleinste Stoß sie zum Absturz bringen.
    Mein Herzschlag stockte fast bei diesem Gedanken, aber kein Felsbrocken fiel herunter. Die Straße ging jetzt in eine sanfte Biegung; das Tal erweiterte sich wieder, und ich hatte das Gefühl, das Schlimmste jetzt hinter mir zu haben. An den Hängen wuchsen jetzt wieder Wacholder und Zedern. Jetzt konnte mich nichts mehr aufhalten, sagte ich mir.
    Ich war so erleichtert, daß mir fast schwindlig wurde, aber ich achtete nicht darauf. Jeden Augenblick mußte ich jetzt die Lichter von Santa Fe sehen. Ich würde
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